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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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Schmerz, unfähig zu schreien?
    Warum hatte ich nicht die Notrufnummer gewählt? Was stimmte nicht mit mir? Er hätte sterben können. Was ihm vielleicht sogar lieber gewesen wäre. Er würde nie wieder Taxi fahren. Er hatte eine Frau und Kinder. Was für ein Ehemann war er jetzt noch? Was für ein Vater? Meine Augen füllten sich mit Tränen und die pappigen Cracker verwandelten sich in meiner Kehle zu Staub.
    Ich trug mit Schuld daran. Ich hatte nicht geholfen. Ich hatte es wahrscheinlich nur noch schlimmer gemacht.
    Was war aus mir geworden? Was hatte Incy aus mir gemacht? Das Telefon klingelte, aber ich ignorierte es. Mein Summer brummte dreimal, aber darum konnte sich der Portier kümmern. Mein Handy hatte ich vor ein paar Tagen verloren und mir bisher kein neues besorgt, also war das kein Problem. Gegen acht stand ich schließlich auf, ging ins Schlafzimmer und holte meinen größten Koffer hervor, den, in den ein totes Pony passen würde. (Keine Panik, es war noch nie eins drin.)
    Plötzlich hatte ich es eilig und stopfte ganze Ladungen Klamotten und anderes Zeug in den Koffer, klappte ihn zu, schnappte mir eine Jacke und verließ die Wohnung. Gopala, der Portier, rief mir ein Taxi.
    »Mr Bawz und Mr Innosaunce haben Sie gesucht, Miss Nastalja«, sagte er. Ich hatte es immer witzig gefunden, wie er all unsere Namen verhackstückte. Aber wenn ich mir vorstelle, man würde mich in Bangalore aussetzen und von mir erwarten, dass ich dort arbeite, muss ich sagen, dass er seinen Job echt gut machte.
    »Ich bin bald zurück«, sagte ich zu Gopala, während der Taxifahrer den Koffer ins Auto wuchtete.
    »Ah, besuchen Sie Ihre Eltern, Miss Nastalja?«
    Wie üblich hatte ich mir Eltern erfunden, damit sich niemand wunderte, wieso ein Teenager mit unbegrenzten finanziellen Mitteln allein leben konnte.
    »Oh, nein - sie sind noch in ... « - Ich überlegte schnell - »Tasmanien. Ich will nur kurz nach Paris, ein bisschen shoppen.« Vielleicht hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Ich war verängstigt, verstört, verlegen und panisch, als hätte jeder Londoner Taxifahrer an seiner Sonnenblende mein Foto hängen mit einem dicken roten GESUCHT-Stempel quer übers Gesicht. Ich hatte das grässliche Gefühl, Innocencio würde jeden Augenblick hinter einem der großen Blumenkübel hervorspringen, und ich hatte keine Ahnung, was ich dann tun sollte. Ich musste wieder an seinen Blick denken, als er mich auf dieser Couch überrascht hatte. Er hatte ... fasziniert ausgesehen. Berechnend? Doch selbst wenn er nicht wusste, was es mit meiner Narbe auf sich hatte, hasste ich die Tatsache, dass er nun davon wusste. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich es nicht ertragen, ihn jemals wiederzusehen, und er war mein bester Freund. Mein bester Freund, der letzte Nacht jemanden verkrüppelt hatte und vor dem ich jetzt - Angst hatte? Das war jetzt mein Leben. Die Lage, in die ich mich selbst gebracht hatte.
    Ich rutschte auf den Rücksitz und gab Gopala ein fürstliches Trinkgeld. »Nur schnell nach Paris. Bin bald wieder da!«
    Gopala nickte lächelnd und tippte an den Schirm seiner Portiersmütze.
    »Dann wollen Sie nach St. Pancras?«, fragte der Taxifahrer und schrieb etwas in sein Fahrtenbuch. »Und dann mit dem Zug durch den Tunnel?«
    »Nein«, widersprach ich und ließ mich in die Polster sinken. »Bringen Sie mich nach Heathrow.«
    ***
    Am nächsten Morgen war ich in Amerika, in Boston, und mietete ein Auto bei einer schäbigen kleinen Firma, die ihre Wagen auch an Leute unter fünfundzwanzig abgab.
    »Bitte sehr, Ms Douglas«, sagte der Angestellte und gab mir die Schlüssel. »Und wie spricht man Ihren Vornamen aus?«
    »Philippa«, sagte ich. Wie alle Unsterblichen hatte auch ich einen ganzen Haufen verschiedener Pässe, Ausweise und Führerscheine. Irgendjemand hatte immer einen Freund, der jemanden kennt, der einem besorgt, was man braucht. Jahrelang hatte mir dieser kleine Mann in Frankfurt geholfen. Er war ein Genie und hatte während des Zweiten Weltkriegs Tausende von Ausweisen gefälscht. In meinen Pässen stehenverschiedene Namen, Altersangaben (in meinem Fall liegen sie zwischen achtzehn und einundzwanzig) und Geburtsorte. Das alles war viel einfacher gewesen, bevor die Regierungen angefangen hatten, jeden zu überwachen. Jetzt drehte sich alles um Geburtsurkunden und Sozialversicherungsnummern. Was für ein Aufstand.
    »Ein schöner Narne«, sagte der
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