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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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ich vielleicht wirklich noch ein Teenager. Schöner Mist.
    Wir kriegen keinen Krebs oder Diabetes oder so was. Wir kriegen zwar Erkältungen und Grippe und die Pest, aber wir erholen uns davon. Nur zur Info: Pockennarben verblassen nach ungefähr fünfzehn Jahren. Wir können uns verbrennen, Gliedmaßen verlieren oder grauenvolle Wunden davontragen - aber das alles heilt wieder, wie ich bereits erwähnt habe. Es dauert seine Zeit, aber alles heilt. Gliedmaßen wachsen nach, ein Vorgang, der gleichermaßen abstößt und fasziniert. Es dauert mehrere Jahre. Trotzdem kann man uns umbringen. Das ist allerdings nicht leicht, deshalb rate ich von irgendwelchen Versuchen dringend ab.
    Was wir mit unserer ganzen Zeit anfangen? Dasselbe, was normale Leute auch machen. Wir leben auf demselben Planeten und haben dieselben Ressourcen zur Verfügung. Manche verschwenden ihre Zeit auf Partys. (Ich will hier keine Namen nennen - okay, ich.) Andere nutzen ihre Zeit sinnvoller: Sie studieren, lernen, feilen an ihrer künstlerischen Begabung oder reisen. Wieder andere gehen weder auf Partys noch arbeiten sie an sich selbst. Sie sind dauerhaft unzufrieden, haben an nichts Freude, finden immer etwas zu meckern, hassen andere Unsterbliche und normale Menschen sowieso. Ich habe Leute dieser Art kennengelernt und hätte sie am liebsten auf einer Eisscholle mitten im Ozean ausgesetzt.
    Ob wir heiraten und Kinder kriegen? Manchmal. Ich war verheiratet. Aber es ist eine Zwickmühle - wenn man einen normalen Menschen heiratet, ist es egal, wie sehr man ihn liebt, er wird alt und stirbt und man selbst nicht. Also muss man ihm irgendwann reinen Wein über sich einschenken oder ihn im Ungewissen schmoren lassen. Und wenn man einen anderen Unsterblichen heiratet, kann man sich auf eine sehr lange Ehe einstellen. Noch schlimmer, als seinem NichtAefrelyffen-Ehepartner beim Altern und Sterben zuzusehen, ist es, wenn man Kinder hat und dasselbe bei ihnen miterleben muss. Aber darüber später mehr.
    Vier Stunden, drei Espressos und eine Tüte Chips später erreichte ich West Lowing. Die Fahrt durch den Ort dauerte keine zehn Minuten. Nicht gerade eine Großstadt. Ich drehte wieder um und suchte die gewundenen Seitenstraßen ab. Ich wusste nicht mal, wonach ich eigentlich suchte. Ein Zeichen? Entweder so etwas wie ein Schild mit der Aufschrift RIVER'S EDGE, HIER LINKS oder vielleicht ein Zeichen des Himmels, einen brennenden Busch oder einen Blitz als Wegweiser? Zwei Minuten später war ich schon wieder aus dem Ortheraus und auf einer Landstraße, die mitten durch den Wald führte. Ich hielt am Straßenrand, legte den Kopf aufs Lenkrad und schlug mit den Händen aufs Armaturenbrett.
    »Nastasja, du bist zu dämlich. Du bist total idiotisch und du hast das hier verdient.« Eigentlich hatte ich noch viel Schlimmeres verdient, aber wer gibt so etwas schon gern zu? Nach einigen Minuten des Nachdenkens stieg ich aus dem Auto und ging in den Wald. Es war schon eine ganze Weile kein Auto mehr vorbeigekommen. Noch ein paar Meter, und ich war von der Straße aus nicht mehr zu sehen. Ich kniete mich hin und legte die Handflächen auf den Boden. Dann sagte ich ein paar Worte, so alte Worte, dass sie sich anhörten wie ein Haufen unzusammenhängender Silben. Worte, die schon alt gewesen waren, als ich geboren wurde. Worte, die Verborgenes ans Licht bringen.
    Einer der wenigen Zauber, die ich beherrsche. Ich wusste nicht mehr, wann ich ihn das letzte Mal benutzt hatte. Vielleicht irgendwann in den Neunzigern, um meine Schlüssel zu finden?
    Ich schloss die Augen und nach einer Minute tauchten Bilder in meinem Kopf auf: eine Straße, eine Kurve, ein Ahornbaum mit herbstlich verfärbten Blättern. Ich sah, wohin ich fahren musste.
    Ich holte tief Luft und stand auf. Wo meine Hände gewesen waren, hatten sich die Blätter und Zweige in Staub aufgelöst. Ein Büschel späten Klees war verwelkt und starb, denn ich hatte seinen Zellen mit meinem Zauber das Leben ausgesaugt. Zwei Handabdrücke der Zerstörung markierten die Stelle, von der meine Kraft gekommen war. Genau so funktioniert unsere Magie - wir nehmen uns die Kraft dazu von etwas anderem. Jedenfalls machen es die meisten Unsterblichen so.
    Ich stieg wieder ins Auto und folgte noch einmal den gewundenen Straßen durch und um den kleinen Ort. Aber ich sah genauer hin und versuchte zu spüren, wo ich war. Ich war schon vor zehn Minuten hier
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