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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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einem Blick schien sie Incy als unverbesserlichen und nutzlosen Partygänger abzutun, an den sie ihre Perlen der Weisheit nicht verschwenden wollte.
    .»Ich war schon in Massachusetts«, erwiderte ich. »Es war todlangweilig. Und kalt.«
    Sie bedachte mich mit einem kurzen, traurigen Lächeln.
    »Aber nicht West Lowing«, sagte sie. »Du solltest kommen, wenn du das alles hier satt hast.« Wieder sah sie zu dem Wagen und Incy hinüber. »Wie heißt du?« Ihre Augen blickten scharf und intelligent - sie schien sich jeden meiner Gesichtszüge, die Form meiner Ohren genau einzuprägen. Ich zog meinen Pelz enger um mich.
    »Christiane. «
    »Christiane.« Sie nickte. »Wenn du es satt hast, wenn du mehr willst, komm nach West Lowing. In Massachusetts. Mein Haus heißt River's Edge. Du wirst es finden.«
    Die Frau namens River stieg mit den beiden Männern zu Rebecca und Imogens Leiche ins Auto und fuhr davon. Ich blieb allein mit Incy und seinem kaputten blauen Auto zurück. Nach einer Weile kam jemand vorbei und nahm uns mit. Wir fuhren mit dem Zug nach Paris und dann weiter nach Marseille, wo es wärmer war. In Marseille roch die Luft schon nach Frühling und ich verschwendete keinen Gedanken mehr an River - oder Imogen.
    Bis vor zwei Tagen. Jetzt, achtzig Jahre später, habe ich beschlossen, ihre Einladung anzunehmen. Bekloppte achtzig Jahre später, als würde sie immer noch da sein und die Einladung immer noch gelten. Wie man sich vorstellen kann, ziehen Unsterbliche oft um. Fünfzig Jahre im selben Dorf zu leben und sich kein bisschen zu verändern - nun, das macht die Leute misstrauisch. Deswegen bleiben wir nie lange aneinem Ort. Wieso glaubte ich also, dass River noch da sein würde? Es war nur ... sie hatte so zeitlos gewirkt. Eine sinnlose Bemerkung im Zusammenhang mit einer Unsterblichen, ich weiß. Aber sie war mir so ungewöhnlich solide vorgekommen. Als hätte sie gesagt, dass ich jederzeit kommen könnte, weil sie da sein würde, was bei Gott bedeutete, dass sie tatsächlich da sein würde und dass ich zu jeder verdammtenZeit dort auftauchen konnte.
    Der Espresso und der Zucker ließen meine Hände zittern und meinen Magen rebellieren. Was sollte ich nur tun?
    Es klopfte an meine Seitenscheibe. Ich fuhr zusammen und schaffte es kaum, einen Aufschrei zu unterdrücken. Hektisch sah ich zur Seite. Ein Mann beugte sich zu meinem Autofenster herunter. In meiner Kehle stieg ein beinahe hysterisches Lachen auf und ich musste es mit Gewalt hinunterschlucken. Ein Wikingergott hatte an mein Fenster geklopft und sah mich jetzt besorgt - oder misstrauisch - an. Seine goldene Schönheit war atemberaubend, als wäre eine Gestalt aus der nordischen Mythologie zum Leben erwacht.
    Ich musterte ihn - irgendwie kam er mir bekannt vor. War er ein männliches Model? Hatte ich ihn acht Meter groß in einer Werbung für Unterwäsche am Times Square gesehen? War er ein Schauspieler? In einer dieser Seifenopern, die je den Tag liefen? Ich konnte ihn einfach nicht einordnen. Zö- gerlich kurbelte ich das Fenster herunter. Bitte, bitte sei ein sexgieriger Irrer, der mich entführt und zu seiner Liebessklavin macht, flehte ich wortlos.
    »Ja?« Meine Stimme klang dünn und brüchig.
    »Das hier ist ein Privatweg«, sagte er und sah mich missbilligend an. Er war vielleicht zweiundzwanzig? Oder jünger? Mochte er Mädchen im Teenageralter? Ich blinzelte ihn an und hatte erneut das vage Gefühl, ihn von irgendwoher zu kennen.
    »Äh ... ich suche nach River. River's Edge.«
    Seine goldfleckigen Augen weiteten sich erstaunt. Mir kam der Gedanke, dass sie ihre Farm vielleicht vor den Augen der Nachbarn verborgen hielt. Wenn sie überhaupt noch da war. »Weißt du, wo das ist?«, hakte ich nach.
    »Du kennst River?«, fragte er langsam. »Wo hast du sie getroffen?«
    Wer war er, ihr persönlicher Leibwächter? »Das ist schon eine Weile her. Sie hat mich eingeladen, zu kommen und sie zu besuchen«, sagte ich entschieden. »Weißt du, ob ihre Farm River's Edge irgendwo hier in der Nähe ist?«
    Schneller als ich reagieren konnte, griff er mit seiner Hand durchs offene Wagenfenster und berührte meine Wange. Seine Hand war warm und hart und ich wusste, dass sich meine Haut unter seiner Berührung eiskalt anfühlte.
    Er war unsterblich und erkannte jetzt, dass ich es auch war. Ich hielt den Kopf schief. »Kenne ich dich? Sind wir uns schon mal irgendwo begegnet?« Eigentlich müsste ich
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