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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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eine Gutenachtgeschichte. Tarkiainens Gedanken schweiften ab, sie rannten nicht, sondern watschelten eher langsam voran und stolperten, bis sie schließlich zu Fall kamen …
    Tarkiainen schüttelte heftig den Kopf und klickte auf die Aufnahme, um sie anzuhalten. Er öffnete das Fenster, doch die Luft in dem miefigen Dienstzimmer schien immer noch kühler und frischer zu sein als die Luft draußen. Der Bahnhof von Pasila vibrierte in der Hitze. Tarkiainen öffnete eine Dose mit einem Energydrink und schüttete die Flüssigkeit in sich hinein, setzte sich dann wieder an den Computer.
    Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich durchzukämpfen, dachte Tarkiainen. Erstens geht es hier um Totschlag oder Mord. Und zweitens habe ich gerade erst bei der Kripo angefangen. Ich muss mich bewähren, damit ich demnächst auch selbst vor Ort ermitteln darf.
    Tarkiainen hatte Kopien von den Dateien des Überwachungssystems erhalten. Korhonen von der Abteilung Berufsund Gewohnheitskriminalität war eigens vorbeigekommen und hatte ihm Anweisungen gegeben, die Uhrzeiten genannt, bei denen er besonders genau hinsehen sollte. Tarkiainen hatte nur leise geschnauft, doch dann war Kommissar Parjanne gekommen und hatte ihm dasselbe eingeschärft, und da konnte er sich eigentlich nicht gegen die Anweisungen auflehnen, obwohl ein anderer Kommissar für die Ermittlungen zuständig war.
    Die Überwachungskamera hatte unermüdlich die stille Seitenstraße in Kulosaari gefilmt. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei. Die Wenigen, die zu Fuß unterwegs waren, führten ihren Hund aus oder waren vitale Rentner beim Nordic Walking. Die beiden Tatverdächtigen waren eine Viertelstunde vor dem Zeitpunkt eingetroffen, den Korhonen ihm als kritischen Moment genannt hatte.
    Korsakow. Und … Gelajew. Wieder hatte er den Namen vergessen und musste einen Blick auf seine Notizen werfen, während er die Angaben über die wesentlichen Aufnahmen in ein Textverarbeitungsdokument tippte. Er notierte die Zeitangaben, es war ihm nichts Besonderes aufgefallen.
    Grigori Ponomarjow, Besitzer einer TV - und Video-Reparaturwerkstatt, hatte ganze Arbeit geleistet. Das heißt, eigentlich war diese Umschreibung in seinem Fall viel zu blass. Ponomarjow war ein Meister der Bitreihen, geradezu ein Künstler. Er hatte Aufnahmen von einigen früheren Besuchen Korsakows und Gelajews ausgegraben, die passendsten ausgewählt, sowohl die Kleidung als auch die Richtung der Schatten überprüft und dann Ankunft und Weggang der Männer aus mehreren verschiedenen Besuchen komponiert. Anschließend hatte er die Farbtöne korrigiert und auf einigen Bildern Korsakows Plastiktüteentfernt, weil es einem genaueren Betrachter womöglich aufgefallen wäre, dass sich im ganzen Haus keine Tüte mit dem Aufdruck Motonet fand, Korsakow sie aber nicht in der Hand hielt, als er das Haus verließ, der Uhrzeit am oberen Bildrand zufolge kurz nach Mitternacht.
    Ponomarjow selbst hätte sich für seine Redaktionsarbeit die Note Befriedigend gegeben. Er wusste, dass die in Shorts gekleidete alte Dame über eine wundersame Kondition verfügen musste, denn sie eilte innerhalb von zwei Tagen viermal mit ihren Nordic-Walking-Stöcken vorbei und kam jedes Mal aus derselben Richtung. Doch er hatte keine Zeit gehabt, dieses Detail zu korrigieren.
    Die übrigen nächtlichen Aufnahmen ließ Tarkiainen schneller durchlaufen. Das Halbdunkel wurde zur Dämmerung, die schließlich dem hellen Morgenlicht wich, auf der leeren Straße erschienen Spaziergänger, einige der am Straßenrand geparkten Wagen fuhren fort und andere nahmen ihre Stelle ein. Das letzte Stück überprüfte Tarkiainen wieder bei normaler Geschwindigkeit und mit höchster Konzentration. Ein großer Mann ging zur Tür und streckte die Hand aus, offenbar zum Klingelknopf. Der Mann drehte sich hin und her, sah sich um, verschwand unter der Kamera, drückte vermutlich das Gesicht an die Glasscheibe in der Tür und versuchte ins Haus zu spähen. Dann ging er um die Hausecke.
    Tarkiainen hielt die Bildfolge an. 09:32. Viktor Kärppä trifft ein, klingelt. Geht dann vermutlich zur Hintertür , schrieb er, zögerte einen Augenblick lang über seine Formulierung. Durfte man bei der Überprüfung von Aufnahmen spekulieren? Gesunden Menschenverstand darf man verwenden, sagte er sich. Außerdem unterstützte die Aufnahme der Kamera auf der Rückseite des Hauses diese Vermutung. Kärppä war um dasHaus herumgegangen und hatte durch das Wohnzimmerfenster geschaut.
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