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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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schrillten die Alarmglocken. Die Gefahr,verscheißert zu werden, ist dann am größten, wenn der Andere einem in die Augen sieht und seine Aufrichtigkeit beteuert. Allerdings konnte ich mir Parjanne nicht als Betrüger vorstellen. Meines Wissens war er ein ehrlicher Polizist, der sich ernsthaft und unbeirrbar abrackerte.
    »Ich leite jetzt unsere Einheit, oder unser kleines Team. Korhonen und ein paar andere gehören dazu. Wir haben auch bei uns in der BGK -Abteilung die Organisationsstruktur ein wenig umgestaltet.«
    Parjanne bemühte sich, bescheiden zu wirken, aber er hatte bestimmt selbst an diesen Besprechungen teilgenommen, Vierecke und Matrizen gezeichnet, von Synergien und Effektivierung und Kernkompetenz geredet.
    »Wir konzentrieren uns auf Wirtschaftskriminalität, speziell auf den Arbeitsmarkt. Also auf Schwarzarbeiter, Leiharbeiter, ausländische Saisonkräfte, Menschenhandel …«, erklärte Parjanne. »Dieser Bereich ist im Ministerium und auf sämtlichen Ebenen der Polizeiverwaltung als besonders wichtig eingestuft worden«, begeisterte er sich, verstummte jedoch, als er merkte, dass ich ihn ausdruckslos ansah.
    Genauer gesagt, blickte ich ein wenig an ihm vorbei und über ihn hinweg, sodass er keinen Blickkontakt herstellen konnte. Ich wollte ihm nicht helfen oder entgegenkommen. Es dauerte eine Minute, bevor Parjanne nervös wurde. Eine lange Zeit, wenn man still dasteht und ins Leere starrt.
    »Das ist also zum Schwerpunkt erklärt worden … und den nehmen wir ernst. Wenn jemand in Finnland oder in der EU arbeitet, müssen die Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen dem ortsüblichen Standard entsprechen, egal, woher die Arbeitskräfte kommen. Missbrauch wird ausgemerzt. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, aber auf lange Sicht geht es auchum den gesunden Wettbewerb … die Arbeitgeberseite macht ebenfalls mit«, erklärte Parjanne und entfernte sich immer weiter von seinem Pfad.
    Ich schnaubte so leise, dass er meine Geringschätzung eher ahnen als hören konnte. Ich hätte ihm sagen können, dass auch ich einiges darüber wusste, über das Leben als Schwarzarbeiter, über echte Scheißjobs, bei denen man nur ein einziges Recht hatte, nämlich zu malochen, und obendrein dankbar sein musste, weil einem dieses Glück widerfahren war.
    Ich hätte auch fragen können, warum man sich erst dann für dieses Elend interessierte, wenn es sichtbar war, näher rückte und den finnischen Arbeitern gefährlich wurde. Dass anderswo in der Welt Menschen für einen Hungerlohn arbeiteten, regte keinen auf. Solange die Arbeit nicht in Finnland getan wurde, fragte niemand, ob ausreichende Ruhepausen vorgesehen waren, ob die Arbeiter auch wirklich Schutzschuhe trugen und ob die Patrone im Atemschutzgerät regelmäßig ausgewechselt wurde.
    Doch ich schwieg. Mir war nicht klar, was Parjanne eigentlich von mir wollte. Er stand in der Polizeihierarchie so weit unten, dass es unsinnig war, ihm die Schuld an globalen Ungerechtigkeiten zuzuschieben. Und ich selbst hatte längst beschlossen, dass meine Moral und meine Verantwortung ungefähr so weit reichten, wie ich sehen, hören und fühlen konnte. Schon auf diesem kleinen Feld gab es genug zu ackern.
    »Die Sache ist die, dass wir uns auf Wirtschaftskriminalität konzentrieren. Und Schwarzarbeit gehört dazu wie das Tattoo auf der Schulter eines Motorradgangsters«, übersetzte Korhonen Parjannes Sermon in Umgangssprache. »Wenn man ein bisschen stöbert, findet man fast immer Handel mit Quittungen und Steuerhinterziehung, Bankrottdelikte und Konkursbetrug und ähnliche nette Kleinigkeiten.«
    Korhonen öffnete die obersten Knöpfe an seinem Leinenhemd und ließ sich die Sonne auf die Brust scheinen. Er war älter als ich, kleidete sich aber modisch und jugendlich. Diesmal trug er eine weite Hose und weiche Schuhe, das Hemd hing über die Hose.
    »Und jetzt möchte mein Vorgesetzter Ypi, dass wir einen kleinen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe schließen. Warenaustausch auf bilateraler Ebene, ein Clearing-Konto für die Devisen und Verpachtung des Saimaa-Kanals für tausendzwanzig Jahre«, fügte Korhonen hinzu. Er schloss die Augen und tat, als ob er sich auf das Sonnenbad konzentrierte. »Das waren wohl die wesentlichen Punkte, das Communiqué kann gedruckt werden«, meinte er abschließend.
    Ich trat ein paar Schritte auf Parjanne zu. Ich kam ihm ein wenig zu nahe, drang absichtlich in sein Revier ein und versuchte die Oberhand zu
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