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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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sie auseinander, bevor sie wieder verheilte. Er legte den Kontrollschalter frei, steckte einen Schraubenzieher hinein und schaltete die automatischen Systeme der Androidin ab.
    »Ubu.« Marias Stimme kam knarrend aus der Gegensprechanlage des Schiffes. »Noch fünfzehn Minuten bis zum Schuß.«
    Ubu entfernte den Schmuck von dem erkaltenden Körper. Er drehte den Kopf um, zog den silbernen Knopf aus der Nase, spürte, wie das Fleisch Widerstand leistete und dann riß und wußte, daß er diese kleine Brutalität für alle Zeiten im Gedächtnis behalten würde – viel länger als sie die Verletzung, die er ihr gerade beigebracht hatte; die würde heilen, wenn Kitten wieder in Betrieb genommen wurde.
    Er steckte den Schmuck in einen Kissenbezug. Verkauf das Zeug, dachte er. An Maria würde es sich gut machen, aber er wollte es nicht wiedersehen.
    Das Laken unter Kittens Kopf wurde naß. Ihr Tränenreservoir entleerte sich automatisch.
    Ubu wußte, daß er unfähig sein würde, das zu vergessen, daß er es immer wieder durchleben würde, den Geruch, die Wut, diesen letzten elektrischen Schlag und die Entleerung ionisierter Tränen … er würde sich daran erinnern. Er stand auf und ging blicklos aus dem Abteil, um einen weiteren Plastiksack zu suchen. Steck sie hinein, dachte er, und verkauf sie, sobald wir die Caliban-Station erreichen.
    Er gab sich alle Mühe, sich nicht wie ein Mörder vorzukommen.

    »Dein Spiel?« Der Rausschmeißer hinter dem Glasfenster warf der schönen Maria einen lüsternen Blick zu. Zähne schimmerten unter einem Schnurrbart, der so dünn und spitz wie ein Eispickel war. Schwarze Augen schauten steinern hinter den vollkommen runden Rahmen eines Kneifers an einem schwarzen Band hervor.
    Die schöne Maria sah sich ihr doppeltes Spiegelbild an. »Blackhole«, sagte sie. Rot Neun strömte durch ihre Adern. Ihre Nerven flatterten und vibrierten.
    »Willst du was setzen oder bloß zuschauen?« Das stählerne Lächeln kam wieder. »Ist ‘n Mudviller da, der sucht vielleicht ‘ne Shooterfrau. Hat jedenfalls diesen sehnsüchtigen Blick. Kann sein, daß du seine Glücksfee bist.«
    »Zehn-zwanzig«, sagte Maria. Sie hielt einen schwarzen Kreditjeton hoch. Das Lächeln wurde breiter.
    »Sei mein Gast, Shooterfrau. Mein Wort drauf. Gezeitenreiter haben Glück beim Blackhole.«
    Besonders ich, dachte Maria. Ein elektrisches Summen ertönte, als das Schloß aufschnappte. Sie drückte gegen das Türschild, und die Tür schwang auf. Hinter ihr schloß sie sich zischend, und das Schloß rastete wieder ein.
    Der Laden hieß Sternenstadt, ein absichtlich altmodischer Name, eine Selbstironie. Er war im dritten Stock über einer schäbigen Ansammlung von Imbißbuden, einem billigen Hotel und einer Second Hand-Boutique. Maria mußte eine Schaumstofframpe hinaufsteigen, um hinzugelangen. Die Wände waren aus Tempaschaum; der Laden war erst kürzlich von einer anderen Stelle der Randzone hergezogen und würde wahrscheinlich in Kürze wieder verlegt werden. Im Kasino war es dunkel. Punktstrahler beleuchteten die Tische, an denen gespielt wurde. Leute aus der Randzone, Syster, Shooter. In dem Raum herrschte die Stille von Konzentration, Schweiß und intensiver Denkarbeit.
    Der Mudviller war nicht zu übersehen. Er war so dick angezogen, als ob er damit rechnete, daß es hier ein Unwetter geben würde, ein Mann mittleren Alters, dessen Blick hoffnungslos an den nackten braunen Brüsten der Frau klebte, die beim Siebzehn-und-Vier die Karten gab.
    Die schöne Maria grinste. Heute abend würde niemand seine Glücksfee sein, nicht solange er sich von den Dingen ablenken ließ, mit denen ihm das Haus vor der Nase herumwedelte.
    Rot Neun pulsierte in ihren Nerven. Die Menschen schienen sich in Zeitlupe durch den verrauchten Raum zu bewegen. Maria ging nach hinten zur Blackhole-Kabine. Sie trat ein und machte die durchsichtige Tür zu. Als sie sich auf den gepolsterten Stuhl setzte, fuhren die langen Metallprojektoren, an deren Spitze jeweils ein feines Netz von Stimulus-Antennen saß, mit einem langsamen Zischen aus der Wand und richteten sich auf ihren Kopf. Sie steckte den Kreditjeton in den Schlitz und drückte auf die Taste. Diamantschwarzer Weltraum voller lodernder Singularitäten, dem Röntgenschrei sterbender Materie, explodierte in ihrem Schädel.
    Maria befand sich in einer silbernen Metallsphäre, die man Flipperkugel nannte. Sie schwebte im dunklen, luftleeren Raum und spürte den fernen, leichten Sog
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