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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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Und dann noch die alberne Bitte wegen Kitten. Uhu verstand das. Aber sein sehnlicher Wunsch ließ ihn zögern.
    Er spürte einen Schmerz in der Kehle, als er auf die Taste drückte. Der kleine Inhalt des elektronischen Speichers starb widerstandslos und ohne einen Laut. Der Schmerz wollte nicht weichen.
    Die schöne Maria schaute zu ihm hoch. »Es kam nicht unerwartet«, sagte sie. Sie kaute auf ihrer Lippe. »Wir wußten, daß er’s nicht mehr lange machen würde. Daß … irgendwas … mit ihm passieren würde.« Sie stand auf und nahm die vier herabhängenden Beine der Katze hoch. Ihre langen blauschwarzen Haare fielen nach vorn und verbargen ihr Gesicht. »Ich gehe in meine Kabine«, sagte sie.
    Ubu starrte immer noch mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm, als wollte er etwas Weises herbeizwingen. Er drehte sich zu seiner Schwester um.
    »Willst du, daß ich dir Gesellschaft leiste?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Später vielleicht.«
    »Soll ich dich rufen? Wenn ich … ihn rauswerfe?«
    Das Haar der schönen Maria schimmerte wie dunkler Regen. »Ja. Bitte.«
    Ubu sah zu, wie sie aus dem Kommandokäfig glitt. Dann drehte er sich wieder zur Kommunikationstafel um.
    Eine ferne Vibration kam durch den Boden herauf und pflanzte sich über das einzelne Metallbein des Sessels bis in Ubus Rückgrat fort. Ein kleiner Fluchtungsfehler in der Schiffszentrifuge; die riesigen Lager liefen langsam heiß, Metall wurde spänchenweise abgeraspelt. Es war nicht gefährlich. Noch nicht. Es würde noch Jahre dauern, bevor er sich darüber wirklich Gedanken machen mußte.
    Die Zentrifuge drehte sich brummend um ihn herum. Er würde seinen Vater vor dem nächsten Singularitätsschuß aus der Luftschleuse werfen müssen.
    Er stand auf und ging zu seiner Kabine, einer summenden Metallkapsel auf der zweiten Ebene der Zentrifuge. Jeder Zentimeter der Wände und der Decke war mit Bildern bedeckt, die er angeklebt hatte. Holo-Sternenkarten, die Konstellationen ein paar Zentimeter vor seiner Nase erstehen ließen, Bilder von Nebeln, schwarzen Löchern und Schiffen. Menschen in Vakuum-, Kampf- und Forschungsanzügen. Der schneidig aussehende Phil Mendoza. Michiko Tanaka mit einer Sizergitarre in einer Hand und einer Pistole in der anderen. Berühmtheiten mit geschminkten Augen und Lippen wie blutige Tautropfen, deren Blick mit unstillbarer Sehnsucht in die Ferne ging. Imaginäre und reale außerirdische Geschöpfe. Bilder vom Tod, von blutverschmierten Sichtscheiben, von Augen, in denen das Entsetzen stand. Bilder von seinem Vater.
    Ubu setzte sich auf seine Koje und hob den Blick zur Decke, zu dem Chaos aus verblassendem Kunststoff, den Bildern, die ihm früher etwas bedeutet hatten und die ihm jetzt sinnlos vorkamen, wie eine lächerliche, kindische Zurschaustellung von Phantasie und Sehnsucht und nicht mehr wie ein Spiegel seiner Seele.
    Plötzlich war sein Vater bei ihm. Er saß auf einem Stuhl in der Mitte der Kabine. Pasco war jünger; seine Haare und sein Bart waren ordentlich gestutzt. Er sah selbstsicher und fit aus, wie der Vater auf den Bildern, die Ubu an die Decke geklebt hatte.
    »Hast du irgendwelche Probleme, mein Sohn?« fragte sein Vater. »Kann ich dir helfen?«
    »Verschwinde, Paps«, sagte er. »Du hast dich umgebracht, du Arschloch.«
    Pasco sah ihn einen Moment lang traurig an. »Du sollst nur wissen, daß ich in eurer Nähe bleiben werde.«
    »Da scheiß ich drauf.« Ubu langte zur Schalttafel und schaltete das Holobild ab. Sein Vater verschwand. Der Stuhl ebenfalls.
    Ubus Haut fühlte sich heiß an. Er stieg auf seine Koje und begann die Bilder von der Decke abzureißen. Sie waren gründlich festgeklebt, und er zerkratzte sie mit seinen Fingernägeln, bis das Material weiß wurde. Es gab einen Kunststoffregen, ein Schneegestöber aus geringelten weißen Schaumflöckchen. Ein Schluchzen versuchte sich aus seiner Brust zu lösen. Er unterdrückte es mühsam.
    Schließlich stand er inmitten von lauter Häufchen aus Kunststoffetzen. Kapitän der Runaway , dachte er. Maria wollte den Job nicht haben; da sie freiwillig darauf verzichtete, fiel er ihm zu. Der Schiffsführer. Singularitätsshooter numero uno. Kapitän im Raum, so weit das Auge reichte.
    Er begann lautlos zu lachen.

    »Ich hab einen Plan.«
    Die schöne Maria schaute zu ihm hoch und sah, daß seine blasse Haut und die blonden Haare mit Schaumflöckchen gesprenkelt waren. Ubu und sie waren in der Computerzentrale. Sie hatten die Messingdüsen und die
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