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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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Nachrichtenfax wütend an und rechnete im Kopf. »Wenn wir die Dockgebühren und die Transportkosten rausholen, können wir schon froh sein.«
    Die schöne Maria leckte sich die Lippen, als wollte sie die Alternativen schmecken, die sie hatten. »Vielleicht können wir eine Fracht an Bord nehmen, um über die Runden zu kommen. Pharmazeutische Präparate oder so. Die nehmen im Laderaum nicht viel Platz weg.«
    »Besser, als gleich hier in Angelica den Löffel abzugeben.« Er begann das Nachrichtenfax durchzublättern. »Mal sehen, wer kauft.« Er spürte, wie ihm der Schweiß den Nacken hinablief. Daten flimmerten über den Bildschirm. Irgendwo auf der Station mußte es doch einen Käufer geben. Es mußte einfach einen geben.
    Wenn nicht, war Angelica das Ende.

    Die Klänge von Fingerübungen kamen aus dem oberen Salon. Die schöne Maria spielte sich auf ihrem Sizer-Keyboard warm. Ubu ging über den weichen grünen Zentrifugenteppich und öffnete die Schirmtür. Maria blickte auf.
    »Erinnerst du dich an Cole Redwing?« fragte Ubu.
    »Undeutlich. Der war auf der Roland , stimmt’s?« Ihre Finger bewegten sich präzise über die Tasten.
    »Früher mal, ja. Hab mir gerade das neue Nachrichtenfax von Engel angesehen. Er hat erst seine Familie und dann sich selbst umgebracht.«
    Maria sah ihn schockiert an. Ihre linke Hand blieb auf einem Akkord hängen und jagte eine strahlend gelbe Leuchtkugel in Ubus Geist. »Wann?« fragte sie.
    »Vor fünfzehn Standards. Infix-Station. Die Bank hatte gerade sein Triebwerk konfisziert.«
    Maria ließ den Blick auf ihre Hand sinken. Der Akkord blieb liegen.
    Obwohl sich Ubu und Redwing nur ein- oder zweimal begegnet waren, konnte sich Ubu haargenau an ihn erinnern. Schwarze Haare, Augen wie Kieselsteine, leise Stimme, große Hände. Er hatte einen Hammer benutzt, hieß es im Nachrichtenfax. Ubu stellte sich einen Hammer in diesen großen Händen vor.
    »Früher hat man nur alle paar Jahre mal was von einem Mord auf einem Shooterschiff gehört, wenn überhaupt«, sagte Ubu. »Weißt du noch? Und jetzt sind’s zwei oder drei pro Jahr.«
    »Er hat seine Familie umgebracht.«
    Und einen Moment lang sahen sie sich nicht an, während der Sizerakkord weiterschimmerte. Sie dachten beide an Pasco, und daß sie vielleicht sogar Glück gehabt hatten, weil er seine eigene Form von selbstzerstörerischer Verzweiflung gewählt hatte, als seine Zeit ablief.
    Maria hob die Hand von den Tasten und sah sie an, als ob sie sie noch nie gesehen hätte. »Hol deine Gitarre«, sagte sie, »und spiel mit mir.«
    »Ja.« Er machte den Instrumentenschrank auf und holte seine alte schwarze Alfredo mit dem dreieckigen Kunststoffkorpus und dem Hals aus echtem Hartholz heraus.
    In seinem Kopf summte es bereits, harte, zornige Akkorde, um Redwing heraufzubeschwören und ihn zur letzten Ruhe zu betten.

    Überall, wo es Shooter und Syster gab, wo Menschen im Jetzt lebten, gab es auch die Zone, mit der sie in Symbiose lebten, in der sie sowohl ernährt als auch gefressen wurden. Das Gebiet hatte viele Namen: Auf Maskerade nannte man es ›die Straße‹; auf Bezel war es ›Hafenstadt‹; hier auf der Engelstation hieß es ›die Randzone‹.
    Die Randzone lag in ständigem Dämmerlicht. Sie krümmte sich von der Stelle, wo Maria und Ubu standen, sanft nach oben, dunkle Ladenfronten, zwischen denen geschäftiges Treiben herrschte, Hologramme, die sich in explosiven Farben bewegten, eine unaufhörliche Völkerwanderung.
    Die Hauptstraße hatte keinen Namen, weil es die einzige war, eine lange Metallstraße, die im Kranz um die radförmige Station herumführte. Auf ihr drängten sich die Kleinunternehmer, die sich ihren Lebensunterhalt durch das Geschäft mit Shootern und System verdienten; Margenbanken, Handelsgesellschaften, Genbanken, kleine Kasinos, Hotels, Bars, Puffs, Missionen für Jesus Ristes oder den Mahayana Buddha, Imbißbuden, kosmetische Kliniken, Pfandleihen … die übliche bunte, laute Skala von Läden. Die meisten lagen an der Straße, manche auch in kleinen, dunklen Seitengassen, die von der Hauptstraße abgingen und sich wie Wurmfortsätze irgendwelcher primitiven Gedärme dahinschlängelten.
    Ubu und Maria durchquerten die ganze Randzone und ließen die leuchtenden Farben, die Gerüche, das exotische Aroma des Verkehrs auf sich wirken. Maria holte sich bei einem Händler ein gebratenes Hähnchen mit Pommes frites. Ubu erstand einen wiederverwertbaren Plastikballon Kolodny-Bier.
    Maria hatte zwei
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