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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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offen«, sagte Ubu, »räumen sie ein bißchen auf und behalten sie als Ort für Mudville-Touristen. Wo sie sich besaufen und ihre Seelen an die Hiline-Firmen verspielen können.«
    » Konsolidierung «, sagte Maria. Es war das schlimmste Wort, das ihr einfiel.
    Ubu bog von der Hauptstraße ab. Das metallische Gelächter einer Hure wehte von der Randzone zu ihm herüber.
    »Gehen wir«, sagte er. »Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier.«

    Ubu hörte, wie sich der Schrank hinter ihm schloß. Er hielt einen sechzig Zentimeter langen, geladenen silbernen Elektrostock mit verblichenen roten Warnaufklebern in den rechten Händen. Ein rotes LED blinkte aufdringlich neben seiner Hand und sagte ihm, daß der Stab unter Strom stand. Sein Finger lag dicht am Auslöser.
    Er merkte, wie seine Arme zitterten. Sein Werkzeugkasten schlug gegen sein linkes Knie. Sein Atem ging schnell. Er blieb vor Pascos Tür stehen und wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn.
    Er ging hinein. In der vorderen Hälfte der Kabine war niemand. Aller möglicher Kram lag herum: achtlos auf irgendwelche Möbelstücke geworfene Schnellkurskassetten, Bilder der Familie, die Pasco bei der Explosion der Luftschleuse verloren hatte, Printouts, die sich seit Jahren niemand mehr angesehen hatte und die von einer dünnen Staubschicht überzogen waren, auseinandergenommene und nicht wieder zusammengebaute Computerkonsolen … hier waren alle Entwicklungsstufen von Pascos Wahnsinn übereinandergeschichtet, dessen Anfänge sich in weit zurückliegenden Jahren verloren, und harrten wie ein alter Hügel in der Wüste auf der Erde der Ausgrabungsarbeiten. Ubu stellte den Werkzeugkasten hin. Sein Herz klopfte. Er wischte sich erneut das Gesicht ab und machte die Schlafraumtür auf.
    Es ist kein Mord , dachte er.
    Das Sexspielzeug saß auf Pascos Koje. Die Androidin blickte auf, als Ubu hereinkam. Ubu wußte, daß er das nie mehr vergessen würde: die Art, wie sie ihre kurzen blonden Locken zurückwarf, das Aufblitzen des Knopfs aus Silber und Lapislazuli in ihrem linken Nasenflügel, den Ausdruck in den großen grünen Augen. Sie sah den Elektrostab und wußte Bescheid. Kitten war nackt, wie Ubu mehr oder weniger erwartet hatte. Sie trug nur den Schmuck am Leib, den Pasco ihr in seiner senilen Leidenschaft geschenkt hatte. Ringe blitzten an ihren Fingern, Armreifen tanzten an ihren Handgelenken. Ein Saphir hing zwischen ihren Brüsten.
    Ubu blieb in der Tür stehen. Geh einfach rein und tu’s, befahl er sich.
    »Paps ist tot«, sagte er.
    »Ich weiß«, sagte Kitten. Künstliche Tränen schimmerten in ihren Augen. »Er hat mir eine Botschaft hinterlassen. Er hat gesagt, daß er mich geliebt hat.«
    »Hat er wohl auch.« Der Elektrostab am Ende seines oberen rechten Arms schien mehr als hundert Pfund zu wiegen. Er nahm ihn in die andere rechte Hand.
    Kitten war seit drei Jahren auf dem Schiff. Pasco hatte sie schon eine Woche in seiner Kabine gehabt, ehe Ubu herausfand, daß sie da war. Er hatte ihr glockenhelles, dummes Lachen aus der Doppelkabine seines Vaters gehört, als er gerade vorbeikam, und dann das antwortende Lachen seines Vaters. Irgendwie hatte er gewußt, daß es kein Illustreifen war.
    Damals hatte er gerade seine Wachstumsperiode gehabt; innerhalb eines Jahres war er dreißig Zentimeter in die Höhe geschossen, und der plötzliche Schub hatte ihn unbeholfen gemacht. Seine Muskeln taten von den einsetzenden Hormonausschüttungen weh, die wie stellare Gezeiten an ihm zerrten. Leidenschaftliche Gefühle durchfluteten ihn wie Fieber: Haß, Abneigung, Lust, Wut … Er arbeitete wie ein Dämon, um sie auszutreiben, und gab sich alle Mühe, Pasco und Maria aus dem Weg zu gehen. Seine Zeit auf Station verbrachte er allein, ein Soloshooter.
    Beim Klang des Gelächters blieb Ubu auf dem Korridor stehen, drehte sich um … und stolperte irgendwie über seine eigenen Füße, so daß er seine vier Arme hochwerfen mußte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Unwissendes Gelächter verspottete ihn, hinterließ einen sich ausbreitenden Fleck von verbranntem Orange in seinem Geist und einen sauren Geschmack auf seiner Zunge. Ohne daß er es wollte, stieg Zorn in ihm hoch. Er öffnete Pascos Tür.
    Kitten stand mit hoch erhobenen Armen auf einem kleinen Tisch, die Beine gespreizt, um das Gleichgewicht zu halten. Kleinmädchengekicher klingelte aus ihrer Kehle. Ihre grünen Augen schauten in seine. Das Gelächter ging weiter.
    Pasco hockte vor ihr, mitten in
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