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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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langen schwarzen Schläuche von Tempaschaum-Sprühgeräten in der Hand. Zwei Monate nach dem Tod ihres Vaters hatten sie sich schließlich dazu aufgerafft, sich um seine Sachen zu kümmern. Sie sammelten den ganzen Müll ein, verschnürten ihn und überzogen ihn mit Tempaschaum, bis sie ihn auf Ascención, ihrem nächsten Anlaufhafen, verkaufen und sich dafür Ersatzteile besorgen konnten. Das einzige, was Geld bringen würde, waren vermutlich die Kameras, die Pasco im ganzen Schiff angebracht hatte, um seine Aktivitäten aufzuzeichnen.
    Maria strich sich eine verirrte Strähne hinters Ohr. Der Rest ihres schwarzen Sturzbachs von Haaren war zusammengebunden, bis sie in die Schwerkraft der Zentrifuge zurückkehrten.
    »Was für einen Plan?« fragte sie.
    Ubu grinste. »Kennst du Schürfengel? Die Tochtergesellschaft von Long Reach? Die suchen per Anzeige auf der Stationstafel von Ascención Lieferanten von Kantokompatiblen Schürfern und Computern für ihre neue Operation im Angelica-System.«
    »Willst du für die Leute schießen, die den Vertrag kriegen? Ganz gleich, wer’s ist?«
    »Besser, Maria. Viel besser.«
    Die schöne Maria drehte sich langsam in der Luft, hakte eine Hand um eine gepolsterte Griffstange des Kommandokäfigs und fing die zerbeulte alte automatische Gebärmutter mit ihren geschickten Füßen. Sie zog sie nah heran, ließ die Stange los und rotierte, wobei sie die Spannung des Tempaschaumschlauchs als Drehpunkt benutzte. Sie drückte auf den Auslöser. Die Turbinen des tragbaren Kompressors heulten, und Schaum spritzte auf die durchsichtige Gebärmutter aus Kunststoff, in der Marias Herz seinen ersten Schlag getan hatte, in der sich ihre Augen entwickelt und zum erstenmal vom Licht abgewandt hatten.
    Sie begrub ihre Vergangenheit unter Schaum, dachte sie. Ein leises Gefühl des Verlustes summte in ihrem Innern. Das waren nicht nur Pascos Sachen, das war auch ein Teil ihres Lebens. Artefakte ihrer Existenz verschwanden, wurden von Schaumschichten umschlossen und starben.
    »Wir reißen uns den Vertrag selber unter den Nagel«, sagte Ubu. Seine Stimme klang eindringlich. »Wir besorgen uns einen Kredit, kaufen die Schürfer vom Kanto-Vertreter und liefern sie in unseren eigenen Laderäumen. Das steigert unseren Gewinn mindestens um hundert Prozent.«
    Schaumbläschen schwollen auf der Schalttafel der Gebärmutter an und hüllten sie ein. Maria zwinkerte sich ein paar verirrte Spritzer von dem Zeug aus den Augen. »Warum beliefert Long Reach sie nicht selbst? Ist doch ihre eigene Operation.«
    »Weil sie zu erfolgreich sind, deshalb. Ich hab mal nachgesehen, wie die Long Reach – Aktien stehen. Sie liegen mit ihrer Expansion so weit vor ihrer programmierten Wachstumsrate, daß ihnen hier an der Grenze die Vorräte ausgehen.«
    »Ist trotzdem komisch.« Maria wischte sich Schweiß von der Stirn. Sie sah Ubu nachdenklich an. »Und wer sollte uns denn wohl einen Kredit geben?«
    »OttoBanque.«
    »OttoBanque.« Sie wiederholte das Wort langsam. Sie wußte, was Ubu im Sinn hatte. Eine neue Spannung stieg in ihrem Körper hoch und panzerte sie gegen Ubus Idee.
    Er sah sie trotzig an. »Wir haben die Schürfer als Sicherheit. Und der Vertrag wartet nur auf uns.«
    »Mir gefällt das nicht.«
    »Schau dir die Zahlen an.«
    Sie wandte den Blick ab. Sie wollte nicht darüber nachdenken. »Was ist, wenn es schiefgeht?«
    »Was ist, wenn es klappt ?« Er stieß sich von den schwarz gepolsterten Blenden ab, die sie über die Computeranzeigen gezogen hatten, während sie mit dem Schaum spielten, kam zu ihr und nahm ihre Schultern in die oberen Hände.
    Marias Knöchel waren weiß, so fest umklammerten sie den Schlauch und die Sprühvorrichtung. »Ich weiß nicht, ob ich das tun will.«
    »Sieh dir nur mal die Zahlen an. Ich zeig sie dir.«
    Sie schüttelte den Kopf. Ein Strom von Kummer brach in ihrem Herzen auf. Sind wir wirklich in einer derart verzweifelten Lage? dachte sie. »Okay«, sagte sie. »Ich schau sie mir an.«
    »Mußt du vielleicht gar nicht. Kann sein, daß sie uns den Kredit auch so geben.«
    »Ja. Kann sein.« Sie glaubte es nicht.
    Aber sie wußte, daß sie sich nicht viel länger sträuben konnte.

    »’ne Rede?« Ubu sah seine Schwester an.
    In ihren Augen spiegelte sich das Licht des Monitors, ein kalter grauer Glanz wie in Pascos verschleierten Augen, als Ubu die Hand ausgestreckt hatte, um sie zu schließen. Sie hob eine Hand an den Hals. »Er war alt«, sagte sie. »Er hat sich alle
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