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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation
Autoren: Walter Jon Williams
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schöne Maria, die in die Elektronenwelt verwoben war, wurde durch einen in den Warzenfortsatz ihres Schläfenbeins implantierten Empfänger kontinuierlich unterrichtet, wo sich Ubu gerade befand, und nun beobachtete sie seinen Auftritt auf den Sicherheitsmonitoren der Kasinos. Seine Füße und sein massiger Oberkörper waren nackt. Er hatte nur eine schwarze Hose an. Ubu war von einem rotierenden Schirm von Leibwächtern umgeben, grauen, gepanzerten Fast-Willensfreien mit vier Beinen und Klauen, die vor Sensoren und Waffen starrten. Jeder von ihnen hatte das leuchtende Monogramm auf dem Körper, ein verschnörkeltes U , das mit einem verschnörkelten M verbunden war. Der Code für die Insignien war in ihr Genmaterial eingeschrieben.
    Ubu stieg in einen Privataufzug und fuhr zum ersten Stock hinauf. Marias eigene Leibwächter ließen ein ehrerbietiges Summen aus ihren Vodern ertönen, als er vorbeikam. Gleich darauf war er an der Tür ihrer Suite.
    Die schöne Maria stellte den Kristallglasballon mit Granatapfelsaft hin und wandte sich zur Tür. Ihre silbernen Armbänder – alte Geschenke von Ubu – schlugen klirrend gegeneinander. Die Elektronenwelt summte mißtönend in ihrem Kopf; sie schaltete den Empfänger im Warzenfortsatz aus und reduzierte die Lautstärke der anderen Welt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie hatte Ubu seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen.
    Die Tür glitt auf, und Ubu trat in den Türrahmen. Verschlüsselte Voderlaute seiner Leibwächter drangen vom Flur herein. Schwarzer Metallschmuck mit kühlen Verzierungen in Silber und Chrom baumelte von seinen Ohren herab und streifte seine bloßen Schultern. Maria wußte, daß ihm die Formen etwas bedeuteten; es waren besondere synästhetische Muster, die er sah, wenn er seiner Musik lauschte oder über etwas Wichtiges nachdachte. Möglicherweise hatte auch die Beschaffenheit des Schmucks, die glatte Struktur des Metalls und die verschlungenen, fließenden Pigmentmaserungen etwas zu bedeuten.
    Ubus Miene war wachsam und konzentriert. Seine Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. Sie fragte sich, was er sah.
    Jedesmal wenn sie ihn traf, hatte sich Ubu etwas weiter von dem Bruder entfernt, an den sie sich erinnerte. Er hatte jetzt zuviel im Kopf, um je wieder nur Ubu zu sein.
    Es war ihre selbstgestellte Aufgabe, dafür zu sorgen, daß er ein Mensch blieb. Bisher war ihr das noch halbwegs gelungen.
    Maria ging zu ihm, legte die Arme um ihn und küßte ihn. Die Umarmung seiner unteren Arme preßte ihr fast die Luft aus den Lungen. Ein Teil von ihm machte sich also immer noch etwas aus ihr.
    Er musterte sie prüfend. »Du hast dir die Haare abgeschnitten.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Schon vor über einem Jahr. Jetzt laß ich sie wieder wachsen.«
    Maria nahm ihn bei der Hand und zog ihn ins Zimmer. Ihre beiden weißen Katzen – Klone von Maxim – kamen unter Möbelstücken hervor und woben Figuren um seine Knöchel. »Wir haben schon zu lange nicht mehr miteinander geredet«, sagte sie.
    »Engel hat sich verändert.« Er bückte sich, um die Katzen zu begrüßen.
    »Die Station ist doppelt so groß geworden, seit du letztesmal hier warst. Wir mieten fast den gesamten neuen Raum.«
    »Die Geschäfte gehen gut.« Eine ausdruckslose Feststellung. Sie hob eine Augenbraue.
    »Der Machtvolle Clan?«
    »Geschluckt.«
    Sie nickte. »Das müßte die Multi-Pollies auf Vordermann bringen.«
    Er lächelte dünn. »Die Entität des Machtvollen Clans hat einen separaten Vertrag mit uns unterschrieben. Die Geliebte ist nicht im Bilde. Ich glaube, sie wird protestieren.«
    »Soll sie.«
    »Sind die Minister schon da?«
    »Die werden erst in ein paar Tagen erwartet.«
    »So.« Er hob die Schultern. »Dann haben wir Zeit, uns ein bißchen zu entspannen.«
    »Was zu trinken oder zu essen?«
    »Erst mal einen Ballon Sharp. Für mich ist es jetzt mitten in der Nacht.«
    Ubu hatte die letzten zwei Jahre größtenteils auf der Schimmernden Station bei Santos 439 verbracht und sich mit der Frage einer wettbewerbsfähigen Alien-KI befaßt. Der Machtvolle Clan hatte seine Mittel in die Entwicklung seiner eigenen Makroatome, Glasfaserkabel und Software gesteckt. Ubu hatte ihn damit auf den Markt gehen lassen und ihn dann mit seiner eigenen neuen Produktlinie weggefegt. Seine neuen Schußcomputer hatten den Vorzug eines Stimantennensystems, das für Ubus Kunden eine Visualisierung auf dem aktuellen Stand der Technik während des Schusses bot und dem entsprach, was die
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