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Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)

Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)

Titel: Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)
Autoren: Nalini Singh
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üblichen Spielkameraden gehabt, aber er hatte es nicht anders gekannt, und dieses Leben hatte ihn zu dem Mann gemacht, der er heute war. Ebendieser Mann wollte sich nun am liebsten vorbeugen, um den Duft an Jessamys eleganter Halsbeuge zu schnuppern. »Ich werde dich den Rest des Weges begleiten«, sagte er, anstatt dem primitiven Drang nachzugeben.
    Jessamy schritt neben dem großen Engel mit seinem übermächtigen Körper. Die mühelose Leichtigkeit, mit der er seine Flügel über dem Boden hielt, verriet ihr, dass es keine bewusste Handlung, sondern das Ergebnis des stählenden Trainings eines Kriegers war. Niemand könnte diesen Mann, der das Buch in seinen Händen wie ein fremdartiges Objekt betrachtet hatte, mithilfe seiner eigenen Flügel zu Fall bringen. »Liest du?«, fragte sie ohne nachzudenken.
    Als er den Kopf schüttelte, glitzerten im unglaublichen, erlesenen Rot seiner Haare feine Dunsttröpfchen, die sich darin verfangen hatten, und Jessamy fragte sich, ob die Farbe abfärben und einen prächtigen Sonnenuntergang auf ihrer Haut erschaffen würde, wenn sie mit den Fingern durch die dichten Strähnen fuhr.
    »Ich kann es«, sagte er beinahe schroff, »aber in meiner Welt gibt es nicht viel Verwendung dafür.« Zu ihrer Überraschung erhitzten sich seine Wangenknochen. »Meine Lesekenntnisse sind … bestenfalls eingerostet.«
    Jessamy konnte nicht verstehen, wie jemand ohne Wörter, ohne Geschichten leben konnte … aber auf der anderen Seite war sie seit Jahrtausenden in der Zufluchtsstätte eingeschlossen. Wenn sie so schöne Flügel gehabt hätte wie Galen, hätte sie sich vielleicht auch nicht so sehr für Wörter interessiert – obwohl ihr diese Vorstellung gänzlich unmöglich erschien. »Ich kann nicht fliegen«, hörte sie sich sagen; sie hatte ihn in Verlegenheit gebracht, und das war nicht ihre Absicht gewesen. »Dadurch habe ich viel Zeit zum Lesen.«
    Galen drehte sich nicht um und starrte nicht auf ihren verdrehten Flügel, der verhinderte, dass sie sich jemals würde in die Lüfte schwingen können. Im Laufe der Jahre hatte Keir, der größte Heiler der Engel, tausendfach versucht, sie zu heilen. Aber obwohl seine Kräfte in der Zwischenzeit immer größer geworden waren, nahm ihr linker Flügel immer wieder seine gleiche verdrehte Form an, so oft er auch gebrochen und gerichtet wurde, so oft er auch abgetrennt wurde, um neu nachzuwachsen. Bis sie irgendwann gesagt hatte, dass es reichte. Nie wieder. Nie wieder .
    »Deine Flugunfähigkeit«, sagte Galen, als sie gerade das schmerzhafte Echo dieser Entscheidung niederrang, die ihr einst das Herz gebrochen hatte, »ist offensichtlich.«
    Ihr Mund klappte auf. Noch nie war jemand in Bezug auf ihre Behinderung so unhöflich gewesen. Die meisten taten lieber so, als gäbe es sie überhaupt nicht, und Jessamy drängte sie nicht, es zur Kenntnis zu nehmen. Welchen Sinn sollte es haben, den Engeln um sie herum Unbehagen zu bereiten? Ihre Schützlinge – und jene, die es wie Illium einmal gewesen waren – kannten sie nur als Jessamy, die einen verdrehten Flügel hatte und bei der sie sich benehmen mussten, weil sie ihnen nicht am Himmel hinterherjagen konnte. Sie brauchte nur vor den Klassenraum zu treten und den Arm zu heben, und sofort kamen selbst die unartigsten Kinder wieder auf die Erde zurück.
    Dieser hier allerdings hätte genau das getan, wonach ihm der Sinn gestanden hätte, dachte sie, während sie den großen Mann skeptisch von der Seite betrachtete. Sie konnte sich ihn so gar nicht als einsamen Jungen an einem vom Schwerterklirren und Kampfgeschrei erfüllten Hof vorstellen.
    »Bist du schon so zur Welt gekommen?«, fragte er ziemlich direkt.
    Jessamy kam zu dem Schluss, dass er nicht unhöflich war, jedenfalls nicht absichtlich. Wie Illium gesagt hatte, gehörte das Wort »subtil« offenbar nicht zu Galens Wortschatz. »Ja.«
    »Man sagt, Keir ist ein begabter Heiler.«
    »Das ist er … Er hat sein Bestes versucht.« Und hatte sich selbst die Schuld gegeben, als er gescheitert war. Jessamy gab Keir keine Schuld. Und auch nicht ihrer Mutter, die den Anblick ihres eigenen Kindes nur schwer hatte ertragen können – wenn auch nicht aus fehlender Liebe.
    »Ihre Schuldgefühle sind zu groß«, hatte Keir damals zu Jessamy gesagt. Seine Augen wirkten dabei jung und alt zugleich, und seine Stimme war von starken Emotionen erfüllt gewesen. »Sie will es nicht hören, wenn ich ihr sage, dass es dafür keinen Grund gibt. Nichts, was
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