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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab
Autoren: Danielle Ramsay
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wildes Gestrüpp, in dem sich alle möglichen Schandtaten verbergen ließen.
    »Was meinen Sie, wer sich hier in der Regel so herumtreibt?«, fragte Conrad.
    »Jugendliche«, antwortete Brady. Er hatte die leeren Apfelweinflaschen aus Plastik gesehen, die sich hier und da im Buschwerk verfangen hatten.
    »Der beste Ort, um sich zu betrinken oder sonst irgendwie vollzudröhnen. Hier kann einen keiner stören.« Brady schaute über den dunklen Feldweg zurück, der zur Hauptstraße führte.
    Dann deutete er nach unten und seufzte.
    »Leuchten Sie mal mit Ihrer Taschenlampe hierher.«
    »Scheiße.« Brady hob den Fuß und betrachtete den Hundekot, der an der Sohle seines Stiefels haftete. »Jetzt wissen wir es genau.«
    »Was?«
    »Jugendliche und Hundebesitzer. Die laufen hier herum.« Missmutig versuchte Brady, seinen Stiefel, so gut es ging, zu säubern.
    »Was soll der Scheiß?«, tönte ihnen eine aufgebrachte Stimme entgegen. »Habe ich nicht klipp und klar gesagt, dass niemand auf den Spuren herumtrampeln soll? Verpisst euch. Hier waren schon genug Idioten, die mir alles versaut haben.« Aus den zerfallenen Mauern trat eine wutschnaubende in Weiß gekleidete Gestalt hervor. Hinter den Mauerresten brannten die Scheinwerfer.
    Conrad straffte seine Schultern und machte sich mit angespanntem Gesicht auf den Kampf mit Ainsworth gefasst, dem Leiter der Spurensicherung, einem Mann, der für seine notorisch schlechte Laune und seine Sturheit berüchtigt war.
    »Wie schön, dass Sie noch immer der ewig meckernde alte Stinkstiefel sind!«, rief Brady.
    Ainsworth stutzte. »Ist da etwa Jack Brady?«
    »Genau der. So leicht sind die mich doch nicht losgeworden.« Brady ging zu Ainsworth hinüber. Der Leiter der Spurentechnik war ein kleiner stämmiger Mann mit zurückweichenden silbrig-weißen Locken und breitem verwüstetem Gesicht. Kein Mensch hätte geglaubt, dass er erst Mitte vierzig war.
    »Na, so was! Seit wann sind Sie denn schon wieder dabei?« Ainsworth stemmte die Fäuste in die Hüften und maß Brady von Kopf bis Fuß. »Ich dachte, Sie machen Erholungsurlaub, genießen das süße Leben und so.« Er hielt inne, als sein scharfer Blick schnell zu Conrad ging, der steif hinter Brady wartete.
    »Der Chef hat mich vorzeitig gesundgeschrieben«, entgegnete Brady mit dünnem Lächeln.
    »Na, dann können Sie sich ja gleich kopfüber in die Arbeit stürzen. Das hier ist eine einzige riesengroße Sauerei.« Kopfschüttelnd schaute Ainsworth zu den Scheinwerfern hinüber. »Passen Sie aber auf, wo Sie hintreten. Sonst sind Sie ebenso schnell weg vom Fenster wie Ihr Kollege.«
    »Wer?« Ratsuchend drehte Brady sich zu Conrad um. »Von wem spricht er?«
    »Keine Ahnung.«
    Das ungute Gefühl, das Brady zuvor schon befallen hatte, kehrte zurück. Allem Anschein nach war er in letzter Minute lediglich als Ersatzmann einbestellt worden, nur weil irgendein armes Schwein in Gates’ Augen versagt hatte. Solche Machenschaften konnte er auf den Tod nicht leiden, schon gar nicht, wenn Gates seine Hände im Spiel hatte.
    »Sie beide folgen exakt meinen Schritten, die Betonung liegt auf ›meinen‹ und nicht irgendwelchen verdammten Fußspuren, die hier kreuz und quer zu sehen sind.« Warnend hob Ainsworth den Zeigefinger. »Ich sagte ja schon, dass hier eine Riesenschweinerei auf Sie wartet.«
    »Ich hab’s gehört«, entgegnete Brady und fragte sich beklommen, was auf sie zukommen mochte.

Kapitel 5
     
    Brady atmete ein paarmal tief durch. Aus der Distanz hatte das lange blonde Haar der Toten das Ausmaß der Verletzung verdeckt. Erst wenn man näher herantrat, war zu erkennen, dass ihr Gesicht auf grässliche Weise verunstaltet worden war. Die Haut hing in Fetzen herab und offenbarte etwas Formloses aus Knochen und Fleisch. Irgendein harter, gezackter Gegenstand hat das zerrissen und verstümmelt, was einmal ein Gesicht gewesen und jetzt nur noch eine unkenntliche, Übelkeit erregende blutige Masse war.
    Brady wollte nicht daran denken, dass diese Leiche jemandes Tochter war. Mit den Händen tief in den Taschen schaute er zu dem schweren, dunklen Himmel hoch.
    Conrad räusperte sich.
    Brady wandte sich ihm zu. Conrad stand reglos an seiner Seite, doch sein Gesicht war kreidebleich.
    »Ich hoffe, sie war schon tot, ehe …« Conrads Stimme verebbte, als hätten ihn sowohl seine gepflegte Sprache als auch seine Geisteskräfte verlassen.
    Brady nickte. Ihm war selbst nicht groß nach Reden zumute.
    Dann zwang er seinen Blick zurück
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