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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab
Autoren: Danielle Ramsay
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er in Schweiß gebadet.
    Es war dunkel, also immer noch Nacht. Vorsichtig riskierte er einen Blick auf den Fußboden, wo zwischen irgendwelchem Plunder ein Wecker stand. Es war ein solcher Kraftakt, dass er glaubte, sein Kopf würde zerspringen. Ein paar Sekunden verstrichen, dann schaffte er es, die Leuchtziffern abzulesen. Vier Uhr dreißig. Nach ein paar weiteren Sekunden begriff er, dass das Telefon noch immer klingelte. Mit zitternder Hand tastete er über den Fußboden.
    »Hallo?«, murmelte er heiser.
    »Detective Inspector Brady?«
    Ohne zu antworten, drückte er die Austaste und ließ das Telefon wieder fallen. Er hatte einen ausgewachsenen Kater, was wiederum kein Wunder war, schließlich hatte er sich schon vor Wochen auf diese selbstmörderische Sauftour begeben. Das Gift seiner Wahl hatte aus einer Kombination aus Whisky und Bier bestanden, um sein ruiniertes Leben zu vergessen und dem Albtraum zu entrinnen, der ihn seit ewigen Zeiten verfolgte. Aber seit Kurzem schien der Alkohol nicht mehr zu wirken. Selbst wenn er im Vollrausch einschlief, wachte er schwitzend und mit rasendem Herzschlag auf.
    Er versuchte, sich an den letzten Abend zu erinnern, wusste aber nur noch, dass er zu viel getrunken hatte …
    Ihm wurde übel. Sein Magen zuckte und verkrampfte sich. Er drehte seinen dröhnenden Schädel vorsichtig zur Seite. Neben ihm lag eine junge Frau schlafend auf dem Bauch, nackt bis zur Taille, der Rest dezent unter der Decke verborgen. Ihr dichtes dunkles Haar breitete sich auf dem Kissen aus. Er hörte, wie sie sanft ein-und ausatmete. An ihren Namen konnte er sich nicht erinnern. Wusste nicht, wer sie war, woher sie kam oder womit sie ihr Geld verdiente.
    Er versuchte, den säuerlichen Geschmack im Mund herunterzuschlucken. Das war sein bisher schlimmster Tiefpunkt. Und eine Frau hatte es in seinem Leben nicht mehr gegeben, seit ihn seine Frau Claudia verlassen hatte. Doch jetzt lag neben ihm eine junge Nackte, die ihm nicht das Geringste sagte.
    Dabei trank er, um zu vergessen, wer er war, und nicht, um zu erkennen, wie schlecht es um ihn stand. Für einen Moment überlegte er, ob er aufstehen und ein paar Schmerztabletten einnehmen sollte, doch schon der Gedanke, sich aufzuraffen, Licht zu machen und das schlafende Dornröschen an seiner Seite zu wecken, war mehr als er verkraften konnte.
    Wieder fing das Telefon an zu läuten, und er erstarrte, als die Frau sich zu rühren begann.
    »Scheiße«, murmelte er.
    Noch einmal tastete er über den Fußboden und suchte in dem Müll, der seit Monaten da unten lag, nach dem Telefon.
    »Was ist?«, meldete er sich.
    Seine Bettgefährtin regte sich und schlief unruhig weiter.
    »Brady?«, fragte eine leise tiefe Stimme.
    »Wer ist da?«
    »DCI Gates.«
    »Sir?« Brady rang nach Atem.
    »Sie sind schwer zu erreichen«, fuhr die Stimme ungehalten fort.
    »Bei allem Respekt, Sir, aber bis Montag habe ich noch frei.«
    Brady bereute seine Worte schon, als er sie ausgesprochen hatte. Gates war der Letzte, den er sich derzeit zum Feind machen wollte.
    »In einer halben Stunde sind Sie auf den Beinen.«
    »Aber –«, begann Brady.
    »Ich schicke Ihnen einen Wagen vorbei und möchte nicht, dass Sie ihn warten lassen.« Es war ein Befehl, der keine Einwände duldete.
    Noch während Brady nach einer Antwort suchte, wurde am anderen Ende aufgelegt.
    Mit leerem Blick stierte er auf das Telefon und versuchte, sich einen Reim auf den Anruf zu machen.
    Ein dumpfes Ziehen in seiner Magengrube riss ihn aus seinen Grübeleien. Pinkeln musste er auch. Ächzend schlug er die Bettdecke zur Seite und schwang seine Beine aus dem Bett.
    Durch die Innenseite seines linken Schenkels fuhr ein stechender Schmerz. Mit beiden Händen drückte er auf die geschwollene Stelle und wartete darauf, dass der Schmerz verging.
    In dem Moment wusste er nicht, wen er mehr hasste: den Mistkerl, der versucht hatte, ihm die Eier wegzuschießen, oder Claudia, die ihn verlassen hatte. Na schön, es gab Tage, an denen er ihre Gründe nachvollziehen konnte, aber nicht die Art, wie sie ihm ihren Entschluss mitgeteilt hatte. Selbst ihren Wohnort hatte sie verlegt, war nach London gezogen, wie er wenig später herausgefunden hatte, und hatte auch nicht vor, jemals wieder in den Nordosten zu kommen.
    Brady hasste sein Leben und das, was ohne seine Frau aus ihm geworden war. Seit ihrem Abgang hatte er täglich mit dem Gedanken gespielt, das zu beenden, was das Schwein, das vor sechs Monaten auf ihn
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