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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab
Autoren: Danielle Ramsay
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aber da komme ich nicht ganz mit.«
    Brady hörte, wie verletzt Conrad klang, und fühlte sich noch mieser.
    »Lassen wir das«, murmelte er. »Vergessen Sie, dass ich überhaupt gefragt habe.«
    »Nein«, widersprach Conrad. »Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, dann sagen Sie es doch bitte einfach.«
    Brady musterte Conrad ein wenig überrascht und beeindruckt, denn Conrad wehrte sich selten.
    »Ach was«, winkte er ab. »Spielt keine Rolle.«
    »Da bin ich anderer Ansicht«, erwiderte Conrad. »Allein die Tatsache, dass Sie so etwas für möglich halten, sagt doch schon alles.«
    »Na schön. Soll ich Ihnen sagen, was mich wirklich sauer gemacht hat?«
    Conrads stahlgraue Augen hielten Bradys Blick fest.
    »Besser als jeder andere wussten Sie, was Claudia mir angetan hatte. Sie waren schließlich dabei. Sie hatte ja nicht einmal genügend Anstand, mir alles unter vier Augen mitzuteilen, sondern hat darauf bestanden, dass Sie im Zimmer bleiben und Zeuge meiner Demütigung werden. Was glauben Sie denn, wie mir da zumute war?«
    Conrad schwieg, blickte ihn aber weiter unverwandt an.
    »Und was machen Sie? Sie laufen zu Gates und erzählen meinem Vorgesetzten, dass ich eine Belastung sei, und zwar für mich selbst wie für die Abteilung.«
    »Aber so war es doch auch«, antwortete Conrad leise.
    Brady lehnte sich an den Türpfosten und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Sie haben mir keine andere Wahl gelassen«, setzte Conrad hinzu.
    Brady wandte sich ab. Er konnte den anderen nicht mehr ansehen und wollte nicht, dass dieser die Scham in seinen Augen erkannte. Natürlich hatte er recht. Er, Brady, hatte ihm keine andere Wahl gelassen.
    Das kleine Zwischenspiel im Krankenhaus hatte Conrad geängstigt, auch das war Brady klar. Es hatte ihm ja selbst Angst gemacht. Fraglos hatte es Conrad so sehr beschäftigt, dass er nachher zu Gates gelaufen war. Von Conrad war auch der Vorschlag gekommen, Brady brauche therapeutische Hilfe, um über die Schussverletzung hinwegzukommen. Damals hatte Brady gedacht, er brauche lediglich einen guten Scheidungsanwalt.
    Er konnte es kaum glauben, als die Polizeipsychologin rein zufällig im Krankenhaus auftauchte. Wenig später war ihm der Verdacht gekommen, dass Gates insgeheim hoffte, dass er übergeschnappt sei, damit man ihn aus medizinischen Gründen abservieren konnte.
    Und dann hatte er herausgefunden, dass Conrad hinter dem Besuch der Therapeutin steckte. Das war der Grund, weshalb er ihn gemieden hatte, denn er hatte Angst, er würde Conrad etwas antun, für das er hinterher tatsächlich einen Seelenklempner brauchte. Lieber hatte er jeglichen Kontakt unterbunden.
    »Sie wissen doch, weshalb ich nicht zuerst mit Ihnen sprechen konnte«, fuhr Conrad fort. »Sie waren doch für vernünftige Argumente gar nicht zugänglich, nicht nach …« Er verstummte. Über Claudias Anteil an Bradys Zusammenbruch wollte er offenbar nicht reden.
    Richtig, dachte Brady. Nicht ein einziges Wort hätte ihn an jenem Abend bremsen können. Auch sonst nichts.
    Seine Erinnerung an die ersten Momente, als er aus der Narkose erwachte, war nicht ganz klar. Er wusste nur noch, dass Claudia ins Zimmer kam und ihm die Scheidungsunterlagen überreichte. Und von Conrad verlangte zu bleiben, der dastand und nicht wusste, was er tun sollte. Als Nächstes machte Claudia auf ihren Stöckelabsätzen kehrt und ließ Brady wie gelähmt zurück. Wie es dann weiterging, hatte er ebenfalls nur noch vage im Gedächtnis. Irgendwie hatte er sich wohl die Kanüle abgerissen, die ihn mit dem Tropf verband, und versucht, ihr nachzulaufen. Conrad hielt ihn zurück. Das war sein Fehler, denn Brady fiel wie ein Wahnsinniger über ihn her.
    Zwei Krankenpfleger waren nötig gewesen, um ihn von Conrad fortzuziehen und ihn zurückzuhalten, bis ein Arzt kam und ihm eine Spritze verpasste, die ihn für den Rest der Nacht schachmatt setzte. Und Conrad, diese brave Seele, hatte vierundzwanzig Stunden an seiner Seite gewacht, trotz der beiden gebrochenen Rippen und der Platzwunden im Gesicht. An diese vierundzwanzig Stunden erinnerte Brady sich kaum. Ebenso wenig wusste er, dass er immer wieder nach Claudia gerufen hatte. Die Tage darauf waren ebenfalls ein einziger Nebel, durchsetzt von Schmerzen und der dämmernden Gewissheit, dass Claudia nie mehr wiederkommen würde.
    Nichts davon hatte Conrad ihm erzählt. All das hatte Brady in einer Therapiestunde erfahren. Angeblich hatte Conrad nicht einmal Gates verraten, woher seine
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