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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab
Autoren: Danielle Ramsay
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Er hoffte, in dem Punkt würden die Spurentechniker ihm etwas Brauchbares liefern oder sonst irgendeinen Hinweis entdecken, den der Täter ungewollt hinterlassen hatte.
    Brady holte Luft, ehe er sich wieder dem zerfetzten Gesicht zuwandte, das von den grellen Scheinwerfern unbarmherzig in Licht getaucht wurde.
    »Du arme Kleine«, sagte er leise.
    »So sehe ich das auch«, erwiderte Conrad.
    »Und darüber hinaus? Was geht Ihnen sonst noch durch den Kopf?«, fuhr Brady fort.
    Conrad zuckte die Achseln.
    Das war typisch für ihn. Conrad legte sich nicht gern fest.
    »Kommt Ihnen denn nichts eigentümlich vor?«
    »Nur das Gesicht oder das, was davon übrig ist.«
    »Mich interessiert eher das, was der Angreifer nicht getan hat.«
    »Er scheint sie nicht sexuell missbraucht zu haben«, antwortete Conrad. »Sonst wäre sie ganz oder halb entkleidet. Nicht einmal nach einem Versuch sieht es aus, würde ich sagen.«
    »Und anscheinend hat sie sich auch nicht gewehrt. Hier sind nur die Kratzer am Hals, und da hat sie vermutlich den Schal lockern wollen. Das scheint es aber auch schon gewesen zu sein.«
    Hätte sie sich zur Wehr gesetzt, wären Haare oder Hautreste des Mörders an den Händen des Opfers geblieben oder unter ihren Fingernägeln, als sie in einem letzten verzweifelten Versuch um ihr Leben gekämpft hatte. Zweifellos würde man ihre eigenen Hautpartikel unter den Fingernägeln entdecken. Was die des Mörders betrafen, war Brady sich weniger sicher.
    »Vielleicht hat er sie von hinten bewusstlos geschlagen«, bot Conrad an.
    »Und warum hat er sie anschließend erwürgt?«
    »Möglicherweise ist sie ja wieder zu sich gekommen.«
    »Hm.« Vorsichtig kniete Brady sich neben die Leiche und verzog das Gesicht, als ein glühender Schmerz durch seinen Schenkel raste.
    Für ein paar Sekunden atmete er flach und wartete darauf, dass der Schmerz vorüberging.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Conrad besorgt, denn aus Bradys olivgetönter Haut war alle Farbe gewichen.
    »Mit fehlt nichts«, log Brady.
    Dass Conrad seine Fitness infrage stellte, hätte ihm gerade noch gefehlt.
    »Schauen wir uns mal den Hinterkopf an.«
    Brady bemühte sich, nicht auf seine Schmerzen zu achten, hob sachte den Schädel an und suchte nach Anzeichen eines Traumas.
    »Nichts. Vielleicht ergibt die Obduktion hier Frakturen.« Mit dem bloßen Auge konnte er nichts entdecken, aber das hieß noch gar nichts.
    »Was meinen Sie, warum er ihr Gesicht zerstört hat?« Sanft legte Brady den Kopf wieder zurück.
    »Um uns die Identifizierung zu erschweren?«, überlegte Conrad. »Oder er spielt mit uns, auf irgendeine verkorkste psychologische Weise.«
    »Möglich ist alles.« Abwägend betrachtete Brady die Tote und die blutige Maske ihres Gesichts.
    Sie hatten tatsächlich ein beträchtliches Stück Arbeit vor sich, die Frage war nur, ob der Mörder so kalt und berechnend geplant hatte, wie Conrad vermutete.
    »Warum hat er sich noch die Zeit für diese Metzelei genommen? Sie war doch schon tot. Vielleicht ist das die entscheidende Frage.«
    »Sie glauben, sie wurde erwürgt und nicht erschlagen, oder?«
    »Definitiv.«
    Conrad warf noch einmal einen Blick auf die blauen Male am Hals und war sich nicht sicher. Andererseits arbeitete er schon seit so langer Zeit mit Brady zusammen, dass er wusste, wie selten der Mann sich in solchen Fällen irrte.
    »Okay.« Mühsam raffte Brady sich auf. »Wir wissen so gut wie gar nichts.«
    »Genau«, pflichtete Conrad ihm bei.
    »Womöglich hilft die Spurentechnik uns ja weiter.« Wenn sie Glück hatten, würden sie Spuren der DNA des Mörders entdecken, wenn nicht unter den Fingernägeln, dann vielleicht an der Kleidung der Toten. Das Opfer hatte sich nicht gewehrt, und das konnte bedeuten, dass sie ihren Angreifer gekannt hatte. Aber solange sie nicht wussten, wer sie war, konnten sie auch keine Liste der Verdächtigen zusammenstellen, ebenso wenig wie sie ein Motiv entdecken konnten.
    Brady ließ seinen Blick über den Tatort gleiten. Bäume umstanden das verfallene Gemäuer wie stille Beobachter des Grauens. Zwischen den Mauerresten wuchsen Sträucher und üppige Büschel Adlerfarn. In einer Ecke lag ein altes Spülbecken, als sei dort einmal eine Küche gewesen. Die Größe des Raums schätzte Brady auf zwölf Quadratmeter, doch wegen des Gerölls und des verrotteten Gebälks inmitten des Unkrauts wirkte er kleiner. Die Tote lag auf einem grasbewachsenen Erdbuckel in der Mitte. Es war der ideale Ort für
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