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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab
Autoren: Danielle Ramsay
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kleinen Stadtzentrum abging. Dahinter reihten sich Absteigen und Kneipen, die selbst die ausgefallensten Partywünsche erfüllten, von Kellnerinnen, die oben ohne bedienten, bis hin zu pornografischen Akten auf der Bühne. Seit der Wirtschaftskrise war das Geld knapp wie selten zuvor, und deshalb war offenbar alles recht, um es den Kunden aus der Tasche zu ziehen.
    Brady überlief ein Schauder. Er hasste Whitley Bay. Tagsüber war der Ort eine heruntergekommene Geisterstadt mit leeren, verfallenen viktorianischen Gebäuden entlang dem Meeresufer; nachts trieb sich das Gesindel in den Gassen herum. Fette Türsteher in Smoking und mit Fliege versuchten, die Ordnung aufrechtzuerhalten und Betrunkene mit drohenden Blicken und aggressiver Körperhaltung abzuwehren. Am schlimmsten waren die langen Wochenenden. Dann strömten die Leute von meilenweit her, tranken sich um den letzten Rest Verstand und versuchten, irgendwo noch eine schnelle Nummer zu schieben. Brady hatte es tausend Mal erlebt, die Besoffenen, die sich erbrachen oder in den Seitengassen wahllos Sex hatten und anschließend schwankend an der Straßenecke standen und auf ein Taxi warteten, das sie wieder heim zu ihrem Ehepartner brachte. Morgens lagen überall Reste von Kebabs und Fritten mit Currysoße, auf die sich die Möwen stürzten. In den Straßen und am Strand stieß man auf schrumpelige Kondome, ebenso vergessen wie das betrunkene Grabschen und Bespringen am Abend zuvor.
    Brady ließ das Tor hinter sich zufallen.
    Der Wachhabende hinter dem Eingangstresen sah auf. »Himmel noch mal, Jack Brady!«
    Brady deutete ein Lächeln an, froh, dass Turner den Dienst am Empfang versah. Mit ihm hatte er in der Vergangenheit etliche Gläser geleert.
    »Ich dachte, Sie kommen erst am Montag zurück.«
    »Gates fand, es wäre besser, wenn ich heute schon erscheine«, erwiderte Brady freundlich.
    Charlie Turner war Anfang fünfzig, ein kleiner, rundlicher Mann, der langsam kahl wurde. Mit verschwörerischer Miene beugte er sich zu Brady vor.
    »Hier ist der Teufel los. Das nur mal so als Warnung.«
    Brady versuchte, in den schwerlidrigen dunklen Augen des Sergeant zu lesen, sah aber nur, dass sie ernst wirkten.
    »Was ist denn los?«
    »Haben Sie’s noch nicht gehört? Jimmy Matthews ist heute in aller Herrgottsfrüh vom Dienst suspendiert worden. Deshalb sind Sie doch vorzeitig –« Er brach ab, als hinter Brady die Eingangstür aufging und mit einem solchen Knall zuflog, dass es durch das ganze Gebäude dröhnte.
    Bradys Magen zog sich zusammen. Er kannte Matthews seit ewigen Zeiten, denn sie hatten sich zur gleichen Zeit für den Polizeidienst gemeldet, auf die altmodische Art noch von der Pieke auf gelernt und sich gegenseitig den Rücken freigehalten, um dahin zu kommen, wo sie jetzt waren. Inzwischen hatten sie beide den Rang eines Detective Inspector.
    »Mehr kann ich nicht sagen«, flüsterte Turner. »Aber sehen Sie sich vor. Gates steht der Sinn nicht nach Spielereien.« Dann war Conrad bei ihnen, und Turner lehnte sich zurück.
    »Hallo, Harry«, begrüßte er Conrad leutselig. »Na, alles klar?«
    »Alles bestens.« Conrad richtete seine Krawatte.
    »Wird wohl wieder mal so ein Tag«, brummelte Turner. Niemandem war ein Mord willkommen, schon gar nicht, wenn der Fall im eigenen Revier gelandet war.
    »Wahrscheinlich«, stimmte Brady geistesabwesend zu und überlegte, was Matthews getan haben konnte, um suspendiert zu werden. Aber wenigstens wusste er jetzt, für wen er den Ersatzmann spielen durfte.
    Wieder zuckte der Schmerz durch seinen Schenkel.
    »Sind Sie wirklich wieder auf dem Damm?«, erkundigte sich Turner.
    »Nur ein kleines Ziehen, das kommt und geht«, log Brady und zwang sich, überzeugend zu wirken.
    »Eines Tages wird der Scheißer in der Hölle schmoren«, meinte Turner tröstend.
    Am liebsten hätte Brady ihn gebeten, sich sein Mitgefühl zu sparen. Seiner Meinung nach hatte er das bekommen, was er verdient hatte. Hätte er seine fünf Sinne beisammengehabt, statt voller Schuldgefühle an den Vorabend mit Simone Henderson zu denken, wäre er niemals angeschossen worden.
    An dem Abend, als ihn die Kugel erwischte, war er hinter ein paar Drogendealern her gewesen. Plötzlich hatte er gespürt, dass ihn jemand verfolgte, weder Conrad etwas davon gesagt noch Unterstützung von dem Van ein paar Straßen weiter angefordert. Zuerst wollte er seiner Sache sicher sein. Dann setzten die Drogendealer sich in Bewegung, und Brady tat seinen Verdacht
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