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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben
Autoren: Eva Ehley
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will, darf man nicht trödeln.
    Zum Glück sind bei diesem traumhaften Wetter fast alle Badegäste am Strand. Die Landstraße liegt wie ein gleißendes, leeres Band im Licht. Bettina Rother tritt das Gaspedal des neuen Wagens durch. Polizeikontrollen gibt es in der Regel nur am Abend und nachts, wenn die Ausbeute an angetrunkenen Fahrern den Einsatz lohnt.
    Auf dem Rücksitz müht sich Markus mit dem losen Engelsflügel ab.
    »Hör endlich auf zu zappeln, Anni. Im Gegensatz zu dir bin ich angeschnallt und kann mich nicht vorbeugen. Verdammt, ich glaube, die Befestigung ist kaputt.«
    »Heißt das, du kriegst den Flügel nicht wieder ran?«
    »Tja, wahrscheinlich. Bist du eben nur ein halber Engel.«
    »Nein, dann will ich gar nicht mit! Das ist ja peinlich.«
    Anni boxt nach ihrem Bruder, während ihr die Tränen übers Gesicht laufen.
    Darauf hat Susanne nur gewartet: »Heulsuse, Heulsuse!«
    »Das ist ja der reinste Affenzirkus da hinten. Sofort seid ihr still.«
    »Mutti, Markus haut mich.« Annikas Stimme.
    »Aber das Anni-Baby hat angefangen.« Markus’ Stimme.
    »Na und? Du bist ein Junge und außerdem viel älter.« Annikas Stimme, schon wieder tränenerstickt.
    »Heulsuse, Heulsuse.« Susannes Stimme.
    »Selber Suse, blöde Suse.« Annikas Stimme.
    »Sofort seid ihr ruhig, oder ich fahre auf der Stelle zurück.«
    Zur Verstärkung ihrer Worte wirft Bettina Rother einen strengen Blick nach hinten.
    »Mutti, die Ampel ist rot!«
    Veronikas Stimme.
    Danach: Scheppern, Krachen, splitterndes Glas. Quietschende Reifen, die qualmende Gummispuren auf dem heißen Asphalt hinterlassen. Ein VW -Käfer, der an einen Ampelpfeiler gedrückt wird. Ein schwerer Daimler, dessen Schnauze die Distanz zwischen den Seitentüren des Käfers auf ein Lächerliches minimiert. Eine Mutter und ihr Sohn, die in den Sicherheitsgurten des Daimlers hängen. Weiße Daunen, die durch geöffnete Seitenfenster segeln und langsam auf die Straße niedersinken. Eine Kreuzung im Sonnenlicht, übersät mit reinen, weißen Federn, die von den Flügeln dreier sterbender Engel stammen.

Textauszug aus dem nächsten Sylt-Krimi von Eva Ehley
    Eva Ehley
    Frauen lügen

    Seit mehr als zwei Stunden sitzt Fred Hübner allein an seinem Tisch auf der Terrasse des angesagten Restaurants
Rauchfang
mitten im Trubel des berühmt-berüchtigten Kampener Strönwai. Die Gäste dieses Abends haben nur ein Thema: die beiden Brände der letzten Nacht. Die Fakten, die die Polizei herausgegeben hat, sind spärlich, umso schillernder sind die Gerüchte, die auf der Insel kursieren. Von Brandstiftung ist immer häufiger die Rede, und so mancher spekuliert bereits über eine Sylter Bürgerwehr, die das Luxushotel und den Bahnhof in Brand gesetzt haben soll, um gegen den Ausverkauf der Inselimmobilien an die Reichen der Republik zu protestieren. Anderen Gerüchten zufolge sollen sich linke Kräfte aus der Hamburger Besetzerszene jetzt auch auf der Insel betätigen. Sogar von einer Einwanderung Berliner Chaoten ist die Rede, denn wer in Kreuzberg teure Autos anzündet, für den müsse Sylt mit seinem allsommerlichen Aufgebot an Nobelkarossen ein wahres Paradies des Zündelns sein.
    Fred Hübner lauscht den Gerüchten aufmerksam. Er ist viel zu sehr Journalist, um nicht das Potenzial der Ereignisse der letzten Nacht zu erkennen. Der Bahnhof ist nur leicht beschädigt, aber der Anbau des Rantumer Hotels
Friesenhof
ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Immerhin konnte ein Übergreifen der Flammen auf das Hauptgebäude verhindert werden. Doch vorher sind alle Gäste, unter ihnen einige illustre Persönlichkeiten, in eine Halle des Sylter Flughafens evakuiert worden. Die Fotos einer desorientierten Gruppe von Pyjamaträgern vor dem brennenden Speisesaal waren in jeder Gazette der Republik zu sehen.
    Normalerweise würde sich auch Fred leidenschaftlich für die Hintergründe der Brände interessieren, doch heute Abend ist er abgelenkt. Seit zwei Stunden schon starrt er hinüber auf die andere Seite der Terrasse. Dort steht eine Frau, die seiner Jugendliebe Susanne zum Verwechseln ähnlich sieht. Alles stimmt. Die blonden Haare, der schlichte Knoten im Nacken. Die knochigen Schultern und die etwas eckigen Bewegungen, die hochgewachsene Frauen manchmal haben und die sie unerwartet rührend wirken lassen – wie frisch geborene Giraffen. Fred ist sich fast sicher, dass sie es ist, auch wenn er weiß, dass sie sich seit dem Ende ihrer Affäre nie wieder auf der Insel hat sehen
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