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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben
Autoren: Eva Ehley
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schade um die leckeren Pizzen.«

Donnerstag, 13. August, 17.00 Uhr,
Wattvilla, Kampen
    Zufrieden lehnt Fred Hübner sich zurück und lässt den Blick aus dem Runderker weit über die Heide schweifen. Seit zwei Wochen wohnt er jetzt in Markus Rothers Domizil. Mietfrei. Und er hat die Zusicherung, dass er so lange bleiben darf, bis er Rothers Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Es ist die Geschichte eines Unfalls, der weit zurückliegt. Es ist die Geschichte dreier kleiner Mädchen, die sich eines Tages als Engel verkleidet haben. Es ist die Geschichte des Zerfalls einer Familie nach einer tragischen Katastrophe. Es ist eine Geschichte, aus der Bestseller gemacht werden. Und Fred Hübner hat die Exklusivrechte daran.
    Denn als er in der Nacht seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft auf der Bank der Wenningstedter Bushaltestelle mit dem vollkommen verzweifelten Markus Rother ins Gespräch kam, erinnerte er sich bald an die Geschehnisse von vor dreißig Jahren. Er erinnerte sich an einen dieser Unfälle, den er damals zu einem Teil seiner Serie hatte machen wollen. Und das war genau der Unfall, der Markus Rother so schwer traumatisiert hatte, dass er jetzt, Jahrzehnte später, als er nach dem Tod seiner Mutter das Watthaus erstmals wiedersah, alles riskierte, Karriere und guten Leumund, nur um die Schlüsselszene seiner Kindheit noch einmal zu erleben, allerdings mit gutem Ausgang. Darum hatte Rother die Mädchen entführt, darum hatte er sie tagelang versteckt gehalten, ohne genau zu wissen, wie er die Szene, mit der alles begonnen hatte, wiederholen könnte.
    Fred hatte Rother noch in der Nacht auf der Bank einen ebenso einfachen wie genialen Vorschlag gemacht. Rother war ihm unendlich dankbar gewesen. Und Fred hatte die ganze Chose perfekt inszeniert. Und die Presse informiert. Rother hatte nur noch zusehen müssen. Und das hatte er getan.
    Doch dazu würde Fred später kommen. Jetzt galt es erst einmal mit dem Anfang zu beginnen. Mit jenem sonnigen Sommertag im Juli 1979, an dem das Unglück seinen Lauf nahm.
    Fred klappt seinen nagelneuen Laptop auf, startet das Programm und beginnt niederzuschreiben, was Markus Rother ihm erzählt hat.

Epilog
Das Haus am Watt, Juli 1979
    Über der Heide liegt der Glanz eines Sommernachmittags. Die Luft ist erfüllt vom Duft der Kräuter, vom Salz des Meeres und vom Modergeruch des Schlicks am Wattrand. Die Stille wird nur vom Triumphgeschrei der Möwen unterbrochen. Und von den Rufen eines fünfjährigen Mädchens.
    Susanne wartet ungeduldig an der geöffneten Eingangstür des Friesenhauses, das in bevorzugter Lage an Kampens Wattseite auf einem Hügelkamm steht. Das Mädchen hat die Tür zwischen beide Beine genommen, drückt mit den Händen die innere und die äußere Klinke gleichzeitig hinunter und lässt sich nach hinten fallen. Dann setzt sie die Tür mit Schwung in Bewegung und lässt sie zwischen den Knien pendeln. Susannes Stimme hallt laut über die Heide, obwohl ihre Worte an die beiden Schwestern in der ersten Etage des Ferienhauses gerichtet sind.
    »Hallo, ihr Schlafmützen da oben! Vero! Anni! Jetzt macht doch mal! Mutti und Markus sitzen schon im Wagen.«
    Während der Wind die Worte über die Heide trägt, wirft das Mädchen sichernde Blicke zum Auto hinüber. Es ist verboten, an der Tür zu schaukeln, schon zweimal musste der Vater den Schlosser kommen lassen, weil der Schnapper verklemmt war. Aber die Mutter schaut nicht zum Haus, sie erklärt Markus, dem zehnjährigen Bruder, die Handhabung der Sicherheitsgurte in dem neuen Auto.
    Jetzt antwortet Veronikas Stimme von oben.
    »Wir kommen ja gleich. Aber Annis Flügel fällt immer wieder ab, und wenn ich ihn anschnallen will, hält sie nicht still …«
    Veronika klingt aufgeregt und heiser, sie hat sich vor zwei Tagen beim Baden in der Nordsee erkältet. Nur ihrem ausdauernden Betteln am gestrigen Abend ist es zu verdanken, dass sie überhaupt mit zu Mareikes Geburtstagsparty darf.
    Mareike ist die Ferienfreundin der Schwestern. Sie kommt nicht wie die sechsjährige Veronika und die ein Jahr jüngeren Zwillinge Susanne und Annika aus Düsseldorf, sondern aus München. Aber auch ihre Eltern besitzen ein Haus an der Wattseite der Insel, wo sie jeden Sommer verbringen. Die vier Mädchen sehen sich in den Ferien fast täglich, und Mareikes Geburtstagseinladungen sind der alljährliche Höhepunkt. Immer steht ein Motto auf dem Programm, diesmal ist es »Himmel und Hölle«.
    Die drei Schwestern haben sich
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