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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Punkt,
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Mörder seiner Frau.
    Oder etwa doch?
    Vielleicht, dachte Bermetter bei sich, war er
mit seinen Provokationen ja zu weit gegangen. Einen Zweck hatte das Geschmiere auf
der Haustür und das Pergamentröllchen ja erfüllt, nämlich den, dass Tuchscherer
im Stadtrat blamiert und seinen Ambitionen ein Riegel vorgeschoben worden war. Das
allein war die Mühe wert gewesen, ganz gleich, wer Egberta auf dem Gewissen hatte.
    So seine Halbschwester, für die er sich stets
verantwortlich gefühlt hatte, denn überhaupt ermordet worden war. Die heruntergebrannte
Kerze vor Augen, welche auf ihrem Nachttisch stand, wog der Tuchhändler das lockenbekränzte
Haupt. Irmtrud, der treuen Seele, traute er so etwas nicht zu, wenngleich man auch
diesbezüglich nicht hundertprozentig sicher sein konnte. Und was hieß hier überhaupt
›sicher‹! Wer konnte schon mit Bestimmtheit sagen, dass Egberta vergiftet worden
war? Und selbst wenn, wie wäre es möglich, dies dem Betreffenden nachzuweisen? Nun
gut, durch eine Sektion, aber wer, fragte er sich, wäre so dreist, einen aufgebahrten
Corpus zu stehlen, um ihn anschließend nach Spuren eines Giftanschlages zu untersuchen?
Und wer, so das nächste Problem, hatte überhaupt ein Motiv?
    Eine Frage, die man sich sowohl bezüglich des
Mörders als auch im Hinblick auf den ominösen Leichendieb stellen musste. Oder Diebin,
je nachdem.
    Oder in Bezug auf die Mörderin, je …
    Auf einen Schlag wie ausgewechselt,
sprang Bermetter auf und schüttelte die Klaue, die sich kurz zuvor auf seine Schulter
gelegt hatte, mit wachsbleicher Miene ab. Bildfetzen wirbelten ihm durch den Sinn,
Worte, die erst jetzt, im Lichte der Erkenntnis, einen Sinn ergaben. Beim heiligen
Franziskus, genau so, so und nicht anders war es gewesen! Er, Halbbruder der Wöchnerin,
vor ihrer Kammer, der verhasste Schwager nur wenige Schritte von ihm entfernt. Darüber
hinaus, als Dritte im Bunde, die alte Irmtrud, einen Becher mit Kräutersud in der
Hand und in ein Gespräch mit Tuchscherer vertieft. Und dann, urplötzlich, seine
Mutter Chlotilde, die auf der Schwelle von Egbertas Kammer erscheint, Irmtrud den
Becher aus der Hand reißt und ihr befiehlt, sie möge ein Leinentuch holen.
    Und dann, kurz darauf, ein lautes Aufstöhnen,
gefolgt vom Schrei des Neugeborenen, welches wenige Augenblicke später verstummt.
    So, genau so und nicht anders war es gewesen.
    »Ich sehe, du beginnst zu begreifen!«, sprach
die Stimme hinter ihm, fest, herrisch und Achtung erheischend wie immer. »Glaub
mir, mein Junge, ich habe es nicht gern getan. Ganz bestimmt nicht. Habe hin und
her überlegt, die ganze Nacht. Aber dann habe ich keinen Ausweg mehr gesehen. Dieser
elende Halunke war dabei, unsere Familie zu ruinieren, verstehst du, nicht nur Egberta,
sondern auch dich und mich! Seien wir ehrlich, Heinrich – hätte ich mich etwa damit
abfinden und tatenlos zuschauen sollen, wie Egberta das gesamte Vermögen in die
Hände eines stadtbekannten Lumpen und Schürzenjägers legt? Tatenlos, ohne einen
Finger zu rühren? Was, frage ich dich, hättest du getan, wenn du aus ihrem
Mund davon erfahren hättest? Siehst du, jetzt hat es dir die Sprache verschlagen,
so wie damals, als Vater sein gesamtes Vermögen an Egberta und ihren nichtsnutzigen
Beschäler überschrieben hat. Daran erinnerst du dich doch wohl, oder? Na also. Eins
musst du mir glauben, mein Sohn«, fuhr die Stimme fort, die selbst jetzt, nachdem
die Wahrheit ans Licht gekommen war, weder zu zittern noch zu vibrieren begann,
»ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Das musst du mir einfach glauben,
hörst du?«
    »Und das Kind, Mutter?«, flüsterte Bermetter,
während sein Blick zu dem Prunkbett wanderte, auf dem seine Halbschwester aufgebahrt
gewesen war. »Was ist mit ihrem Kind?«
    »Tot.«
    »Umgebracht, wolltest du sagen.«
    »Na schön, umgebracht, beseitigt, aus dem Weg
geräumt – ganz, wie du willst.« Chlotilde Wernitzers Stimme drohte aus den Fugen
zu geraten, und als ihr Sohn nicht antwortete, stampfte sie wütend auf. »Wer, bitte
schön, hätte für das Balg sorgen sollen? Tuchscherer? Du? Ich? Besser, sein Leben
auszulöschen, bevor es mitbekommt, wer sein Vater ist.«
    »Oder seine Großmutter.«
    Chlotilde Wernitzer schnappte nach Luft, packte
ihren Sohn an den Schultern und drehte ihn mit Gewalt herum. »Jetzt hör mir mal
gut zu, Heinrich!«, zischte sie, während ihr die Augen vor Wut aus den Höhlen
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