Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
traten.
»So leicht, wie du dir die Sache machst, ist sie leider nicht. Jetzt tu doch nicht
so, oder schämst du dich, dass du über Nacht reich geworden bist?«
    »Reich?«
    »Ja, reich, mein Junge. Steinreich. Sobald Egberta
unter der Erde ist, werde ich dir das gesamte Vermögen überschreiben.«
    »Dazu müsste man sie erst einmal finden.«
    »Finden oder nicht, du wirst doch nicht so undankbar
sein und deine eigene Mutter ans Messer liefern? Mich, die ich so viel für dich
getan habe? Ich schlage vor, du überlegst dir das Ganze noch mal. Dann wirst du
begreifen, dass Schweigen in der Tat Gold sein kann. Und alles, was ich dir anvertraut
habe, für dich behalten. Nur ein paar Wochen, dann wird Gras über die Sache gewachsen
sein. Kein Mensch wird je dahinterkommen, vor allem nicht dieser neunmalkluge Zisterzienser,
der geglaubt hat, mich übertölpeln zu können.«
    »Doch, wird er.«
    Voll und ganz auf ihren Sohn konzentriert, hielt
Chlotilde Wernitzer jäh inne. Dann wanderte ihr Blick zur Tür. Bleierne Schwere
senkte sich auf ihre Lider herab, und mit einem Mal sah ihr Gesicht wie eine Totenmaske
aus. »Was fällt Euch ein, mitten in der Nacht hier …«, krächzte sie, verstummte
jedoch vollends, als sie sich nicht nur Bruder Hilpert, sondern außer ihm auch noch
Berengar und der ihr nicht minder missliebigen Baderstochter gegenübersah.
    »Heinrich Bermetter, nehme ich an?«, erkundigte
sich Bruder Hilpert mit tonloser Stimme und fügte, nachdem der Ratsherr bejaht hatte,
mit ebensolcher Stimme hinzu: »Erlaubt, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Bruder
Hilpert, Bibliothekarius zu Maulbronn.«
    »Ein Zisterzienser im Habit eines Minoriten.
Ich fürchte, das müsst Ihr mir erklären.«
    »Nichts lieber als das«, gab Bruder Hilpert
zur Antwort, durchmaß die Kammer und setzte seine Augengläser auf. Dann griff er
nach der Kerze und begutachtete den Gebärstuhl, der unweit des Prunkbettes in der
Ecke stand. Nicht lange, und er sollte fündig werden. »Tretet näher, Herr Rat«,
forderte er Bermetter auf, der sich dem Griff seiner Mutter entwand und dem Wunsch
des nächtlichen Besuchers Folge leistete. »Tretet näher, und Ihr werdet Eure Antwort
bekommen.«
    »Worauf denn?«
    »Zunächst einmal auf die Frage, wie Eure Nichte
ums Leben gekommen ist«, erwiderte Bruder Hilpert barsch und deutete auf den dunkelroten
Fleck, der sich auf der Armlehne des Gebärstuhls befand. »Und im Folgenden auf alle
Fragen, die mit dem Tod Eurer Schwester, dem Verschwinden ihres Leichnams und der
Rolle, welche meine beiden Gefährten bei der Aufklärung der beiden Morde gespielt
haben, zusammenhängen.« Der Bibliothekarius blickte in die Runde, nahm die Brille
ab und steckte sie wieder ein. »Nehmt ruhig Platz, Bermetter, so viel Zeit muss
sein.«

29
     
    Ebenda, eine gute Stunde später │ [01.45]
     
    »Da geht sie hin und kehrt nicht wieder!«, erklärte
Berengar lapidar und blickte dem Büttel und den ihm auf dem Fuße folgenden Stadtknechten
hinterher, die Chlotilde Wernitzer in ihre Mitte nahmen, um sie ins Stadtgefängnis
am Milchmarkt zu eskortieren. Vom Burgtor fegte eine frische Brise heran, und es
schien, als ob die Kälte kein Ende haben würde. »Was, denkst du, wird mit ihr passieren?«
    »Das in derlei Fällen Übliche. Interrogatio,
accusatio, iudicium und poena. [88] Die, wie kaum anders zu erwarten, sehr hart ausfallen wird.«
    »Auf gut Deutsch: Tod durch den Strang.«
    »Etwas in der Art.« Bruder Hilpert bekreuzigte
sich. »Die eigene Tochter vergiften. Das eigene Enkelkind ermorden. Ich kann es
immer noch nicht glauben.«
    »Tja, wie pflegten die alten Römer doch zu sagen:
›Factum fieri infectum non potest.‹ [89] «
    »Alle Achtung, du überraschst mich immer wieder!«,
rief Bruder Hilpert verdutzt aus, während die Haustür hinter ihm ins Schloss fiel
und Melusine sich zu den beiden Gefährten gesellte.
    »Und du erst!«, konterte der Vogt, ahmte mittels
Daumen und Zeigefinger zwei Brillengläser nach und fragte spitz: »Wo hast du das
Ding eigentlich her? Gut verstecken, sonst läuft morgen die halbe Stadt damit rum!«
    »Wie gesagt: mein Habit für deinen Humor«, scherzte
Bruder Hilpert zurück und konnte es sich nicht verkneifen, dem Spötter einen Rippenstoß
zu versetzen. »Höchste Zeit, ihn an Bruder Alban zurückzugeben. Mit dem ich, Jungfer
Aschenbrenner, demnächst noch eine Unterredung zu führen haben werde.«
    »Ganz wie Ihr wollt, Bruder«, pflichtete ihm
die Baderstochter bei,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher