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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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überbordender
Genugtuung.
    Denn wenn jemals ein Mensch – oder Unmensch
– zu Recht aufs Rad geflochten worden war, dann, so sein Fazit, war es Chlotilde
Wernitzer gewesen. Das hatte nicht nur er, sondern auch der Stadtrichter und die
versammelten Schöffen so gesehen. Die Zeugenaussagen, welche seine ehemalige Schülerin,
die unversehens genesene Dienstmagd namens Katharina, ein Zisterzienser namens Hilpert
und dessen Gefährte, von Beruf Vogt, gemacht hatten, waren eindeutig gewesen, wenngleich
sich aufgrund der Beweisfindung, auf welche sich Melusine und ihre beiden Gefährten
eingelassen hatten, beim einen oder anderen Magistrat Bedenken geregt hatten. Am
Urteil, das vor einer Stunde auf dem Marktplatz vollstreckt worden war, hatte dies
jedoch nicht das Geringste geändert. Und an der Freilassung der alten Irmtrud natürlich
auch nicht. Der Stadtrichter hatte kurzen Prozess gemacht, und keiner, nicht einmal
die anwesenden Kleriker hatten ihm widersprochen.
    Im Falle von Tuchscherer, dem niemand eine Träne
nachgeweint hatte, war es erst gar nicht zum Prozess gekommen. Kurz vor dem Tribunal,
das sich ein Bild von seinem Zustand machen wollte, hatte man ihn in seiner Zelle
gefunden – erhängt. Auch hier, wie bei der alten Wernitzerin, die gleiche Reaktion:
allseitige Erleichterung, von Fragen oder gar Interesse an den Umständen seines
Todes keine Spur.
    Und so blieb es ihm, Friedhelm, ein weiteres
Mal überlassen, den Willen von Justitia zu vollstrecken. Viel Mühe kostete ihn dies
nicht, lag doch das Grab, in das er die kleine Egerter gebettet hatte, noch offen
und unberührt da. Nichts leichter also als den Halunken, der nicht nur sie, sondern
eine Menge anderer Schandtaten auf dem Kerbholz hatte, an gleicher Stelle zu verscharren.
Erde zu Erde, und den Menschen, die seiner ledig waren, zum Wohlgefallen.
    An den Henkerskarren gelehnt, auf dem die bis
zur Unkenntlichkeit malträtierten Überreste von Chlotilde Wernitzer lagen, legte
der Henker eine kurze Verschnaufpause ein. Mittlerweile war es längst dunkel geworden
und die Eiche, unter der er stand, sah wie ein vielarmiges Ungeheuer aus. Wind kam
auf, beileibe jedoch nicht so kalt wie vor eineinhalb Tagen, in der Nacht, als er
mit Melusine hier droben gewesen war.
    Irgendwo in der Ferne war ein Trompetensignal
zu hören, vermutlich von einem der Türme, um die Schließung der Stadttore anzuzeigen.
Friedhelm reckte sich, massierte das schmerzende Genick und trat an die Ladefläche
des Schinderkarrens, um mit der Arbeit, die ihn noch geraume Zeit in Anspruch nehmen
würde, fortzufahren.
    Je früher er damit fertig sein würde, desto
besser.

Epilog
     
    Rothenburg ob der Tauber, Samstag vor Palmsonntag 1418

32
     
    Burggarten, zu Beginn der siebten Stunde │ [11.05 h]
     
    Es war Zeit, Abschied zu nehmen. Höchste Zeit, der Stadt den Rücken
zu kehren und sich wieder auf die Reise zu machen.
    Aber wohin? An Ostern, das hatte er Berengar
und Irmingardis versprochen, würde er sich im Haus von Berengars Schwester in Würzburg
einfinden, um gemeinsam mit ihnen Hochzeit zu feiern. Bis dahin, das heißt bis zu
ihrer Abreise in die Bischofsstadt, würden die beiden noch in Rothenburg bleiben,
aus Gründen, die Hilpert sehr gut nachvollziehen konnte. Irmingardis war noch zu
schwach, um die Reise anzutreten, und Berengar so besorgt um sie, dass er nichts
riskieren und lieber noch vier oder fünf Tage länger in der Freien Reichsstadt bleiben
wollte.
    Quo vadis, Hilpert?, lautete folglich das Problem.
Auf die Umfassungsmauer gestützt, die den Burggarten nach allen Seiten umschloss,
folgte Bruder Hilperts Blick dem Lauf der Tauber, die sich wie ein silbernes Zierband
durch das mit Weilern, Rebstöcken und Waldeshöhen besprenkelte Tal schlängelte.
Der Frühling stand vor der Tür und die Luft war durchtränkt von seinem Duft. Überall
im Burggarten sprossen die Märzveilchen, Krokusse und Narzissen hervor, darunter
auch hin und wieder ein paar Schwertlilien, deren violettfarbene Blüten im Wind
hin und her wogten. Bruder Hilpert wurde wehmütig ums Herz, musste er doch beim
Anblick der Blütenpracht immer wieder an den heimischen Klostergarten denken. Bis
zu seiner Rückkehr nach Maulbronn würden noch mehrere Wochen ins Land gehen, und
wenn er ehrlich war, konnte er es kaum erwarten.
    Am Abschied von Rothenburg, wo er einen alten
Freund besucht und neue Freunde dazugewonnen hatte, führte folglich kein Weg vorbei.
Und so griff Bruder Hilpert nach dem Zügel
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