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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nichts
geworden ist!«, spottete er. »Bleibt zu klären, wer seinen Nutzen daraus ziehen
wird. Cui bono? Das ist hier die Frage.«
    »Könnt Ihr Euch das nicht denken, Bruder?«
    »Doch.«
    »Heißt das, ich kann jetzt …?«
    »Nicht so eilig, Liebster!«, mischte sich die
Stimme, bei deren Klang Tuchscherer jäh erstarrte, in sein Gespräch mit dem Unbekannten
ein. »Ich habe noch eine kleine Überraschung für dich.«
    Der Engel_der_Rache winkte mit dem Zeigefinger,
und Tuchscherer, nur noch ein Schatten seiner selbst, folgte ihm auf dem Fuße. Es
war ihm gleich, wohin ihn sein Weg führen würde, gleichgültig, was aus ihm werden,
egal, wer oder was seiner harren würde. Binnen einer Viertelstunde war aus dem 24-Jährigen
ein verwirrtes, gedemütigtes und verängstigtes Wrack geworden. Eine Marionette,
die nach Belieben herumkommandiert wurde. Laurenz Tuchscherer hatte ausgespielt,
und das war ihm auch bewusst.
    Und so heftete er sich an die Fersen der Gestalt,
die dem Rödertor zustrebte, kraftlos, zermürbt und bar jeglicher Gedanken an Flucht.
Längs des Weges, der einem Spießrutenlauf glich, tauchten weitere Gestalten auf,
höhnend, geifernd, seiner spottend und ihn schmähend. Darunter solche, die er kannte,
aber auch solche, an die er sich nicht erinnern konnte. Kaum noch Herr seiner Sinne,
stolperte Tuchscherer weiter. Allein, die Geister der Vergangenheit ließen nicht
ab von ihm, kamen und gingen, scherzten und wehklagten, drohten und schmeichelten,
beschimpften und umgarnten ihn. Nicht lange, und er musste sich die Ohren zuhalten,
so laut, schrill und nervenzerfetzend wurde ihr Geschrei.
    Der Bußgang des Laurenz Tuchscherer war jedoch
noch lange nicht vorüber. Vor dem Haus an der Stadtmauer, wo ihn eine rotblonde
Dirne empfing, machte der Engel plötzlich halt. Viel zu verwirrt, um aufzubegehren,
verhielt auch Tuchscherer seinen Schritt und harrte der Dinge, die da kamen.
    »Darf ich vorstellen, junger Herr –«, spöttelte
Melusine und gesellte sich zu Tuchscherers bevorzugter Gespielin, auf deren Gesicht
sich Genugtuung, Häme und Schadenfreude spiegelten, »Adelheid, eine meiner Patientinnen.
Kuriert von der Krankheit, mit dem sie sich bei einem ihrer Galane angesteckt hat.
Unnötig zu erwähnen, wer es war.«
    Tuchscherer ließ den Kopf hängen und schwieg.
    »Willkommen, Herr! Mein Haus steht zu Eurer
Verfügung.«
    »Siehst du, Liebster«, amüsierte sich Melusine
mit Blick auf Hrosvit, die soeben die Tür geöffnet und sich einen Spaß daraus gemacht
hatte, ihn mit einem Knicks zu begrüßen, »sogar die Frau Wirtin ist gekommen, um
dir ihre Aufwartung zu machen.« Ein Geräusch im Ohr, das aus nächster Nähe kam,
wanderte der Blick der Baderstochter zum Rödertor. »Sieh an, wen haben wir denn
da!«, triumphierte sie, als ihr Blick auf Deodatus, Katharina und Bruder Hilpert
fiel, welche soeben um die Ecke bogen. Berengar, der ihnen unterwegs begegnet war,
folgte dem Trio auf dem Fuße. »Na, dann wären wir ja komplett!«
    Kaum hatte Melusine geendet, presste Tuchscherer
die Handflächen an die Ohren und wich zurück. Dann stieß er einen markerschütternden
Schmerzenslaut aus, gefolgt von einem Schrei, dessen Echo wie ein Menetekel von
der Stadtmauer und den angrenzenden Häusern widerhallte. »Aufhören!«, hallte es
durch die Nacht, so laut, dass Bruder Hilpert an der Richtigkeit seines Vorgehens
zu zweifeln begann. Und immer wieder: »Aufhören!«
    Für Skrupel und Gewissensbisse war es jedoch
zu spät. Die Dinge nahmen ihren Lauf und sie entwickelten sich genau so, wie Melusine
es geplant hatte.
    Mit dem Rücken zur Tür, stieß Tuchscherer die
Frauenwirtin beiseite und funkelte die Anwesenden, welche einen Halbkreis um ihn
bildeten, mit wutverzerrter Miene an. »Genau sieben!«, rief er triumphierend aus
und ließ seinen Worten ein Grinsen folgen, das in einen nicht enden wollenden Lachanfall
mündete. »Und eine schlimmer als die andere. Völlerei, Faulheit, Hochmut, Geiz,
Zorn, Neid, und … und …«
    »Wollust.«
    Aus wessen Munde das Wort entwich, welches das
Schicksal von Laurenz Tuchscherer besiegelte, konnte Bruder Hilpert beim besten
Willen nicht sagen. Einmal ausgesprochen, ging von ihm eine Wirkung aus, wie er
sie nicht für möglich gehalten hätte. »Ihr haltet Euch wohl für ziemlich schlau,
was?«, brach es aus dem Emporkömmling hervor, dessen Geist sich endgültig zu verwirren
begann. Für ihn, über den das Urteil gesprochen war, gab es jetzt kein Halten mehr,
und
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