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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer
Autoren: Jógvan Isaksen
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musste ich nur in Bewegung bleiben, durfte nicht anhalten oder hinfallen. Der Nebel war immer noch der gleiche, nach einer Weile wusste ich gar nicht mehr, wo ich war. Ich hoffte, dass ich irgendwann über einen Pass und von dort aus ins Saksunardalur kommen würde.
    Stundenlang schleppte ich mich durch die Landschaft, mein einziger Gedanke war zu gehen, mich zu bewegen. Zwischendurch erreichte ich eine fast flache Ebene, aber meistens ging es bergauf, ich hatte das Gefühl, ich müsste bald im Himmel sein. Dann ging es eine Zeit lang hinunter und ich kam an einen Bach, aus dem ich trank. Die Gegend war noch steinig, aber je weiter ich nach unten kam, desto mehr Gras gab es und ab und zu auch sumpfige Wiesen. Ich wagte es nicht, den Fluss aus den Augen zu lassen, und als die Wiese zu Schlamm und Matsch wurde und mich zu einem Umweg zwingen wollte, ging ich lieber direkt am Fluss. In dem feuchten Gebiet floss er eine Weile fast waagerecht, aber ich war mir sicher, dass er bald schneller ins Tal schießen würde. Und das tat er auch. Das Wiesengelände war zu Ende und die Steigung wurde steiler. Plötzlich, als würde eine Kulisse verschoben, trat ich aus dem Nebel und sah direkt auf Saksun hinunter.
    Die Bucht lag friedlich da und auch im Ort gab es keinerlei Lebenszeichen. Meine Uhr war kaputt, deshalb wusste ich nicht, wie spät es war, aber Essenszeit war sicher schon vorbei. Doch ein Auto nach Tórshavn würde ich sicher ohne Probleme bekommen.
    Ich ging wieder los.

49
    Die blauen Augen kamen immer näher, sie wurden so groß, dass sie zum Meer unter mir wurden, dem ich entgegenfiel. Der Fall war lautlos und wollte nicht enden, es kribbelte im Magen und ich schloss die Augen, um mich auf den Aufprall vorzubereiten. Aber er kam nicht. Stattdessen sah ich gegen eine weiße Decke und meine Hände strichen über Bettzeug.
    Mein Blick wanderte die gegenüberliegende Wand entlang und blieb an einer typischen Amariel-Norðoy-Lithographie hängen. Während ich auf den Fischkutter und die Gesichter sah, die an Munch erinnerten, lief das Gehirn im Leerlauf. Aber dann wurden Kontakte geschlossen, es begann zu arbeiten und mit der Zeit kam es auf Touren und spulte den ganzen gestrigen Tag vor mir ab. Der geschundene Körper sorgte dafür, dass ich nicht den Eindruck bekam, als hätte ich die Ereignisse nur geträumt.
    Ein Lastwagen auf dem Weg nach Tórshavn hatte mich mitgenommen. Der Fahrer wollte wissen, worauf um alles in der Welt ich mich eingelassen hatte, verdreckt, wie ich war. Ich erzählte ihm, dass ich von Sjeyndir übers Gebirge gegangen war. Das Letzte, was ich hörte, bevor ich vor Erschöpfung einschlief, war, wie er etwas von erwachsenen Männern murmelte, die Tourist spielten.
    Er weckte mich, als wir in Tórshavn angekommen waren. Ich dankte ihm und ging zu Duruta. Sie stieß einen Schrei aus, als sie mich sah, schob mich dann jedoch mit resoluter Hand ins Bad und danach ins Bett. In der Zwischenzeit bekam ich etwas zu essen und zu trinken und versuchte ihr zu erzählen, was passiert war. Von den Handschellen hatte sie mich auch befreit und jetzt waren nur noch blutunterlaufene Schwielen an den Gelenken zu sehen. Wer weiß, was der Fahrer wohl gedacht hatte? Er hielt mich sicher für einen Sadomasochisten. Wenn ich an die letzten beiden Wochen dachte, musste ich einräumen, dass da etwas dran war.
    Wie spät mochte es wohl sein? Die Uhr auf dem Nachttisch sagte halb zwei. Ich hatte mehr als zwölf Stunden geschlafen. Es war an der Zeit aufzustehen, aber der Körper wollte nur äußerst ungern das warme Lager verlassen. Die Beine kamen schließlich doch außenbords, und nachdem ich einen Augenblick auf der Bettkante gesessen hatte, kam ich auch in die Senkrechte. Im Zimmer waren keine Kleidungsstücke und steif und wund ging ich ins Wohnzimmer, um nachzusehen, ob dort jemand war. Ein Zettel lag auf dem Tisch: Lieber Hannis! Ich bin gegen drei zurück. Habe deine Schlüssel mitgenommen und bringe dir Sachen mit. Gruß, Duruta.
    In den nächsten anderthalb Stunden hatte ich also nichts anzuziehen. In einem Kleiderschrank fand ich einen hellroten Hausmantel und jetzt fehlten eigentlich nur noch Pantöffelchen mit hellrotem Quast, dann wäre die Ausstattung perfekt. Ich verzichtete auf die Pantöffelchen und setzte mich ans Telefon.
    Auf dem Polizeirevier sagte man mir, dass Karl bis Montag freihatte. Ich wählte seine Nummer und sah aus dem Fenster. Der Taxistand Auto war im Nebel gerade zu erahnen, und die
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