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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer
Autoren: Jógvan Isaksen
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hier herrscht Warten, hatte Brorson nicht so etwas gesagt? Mehr konnte ich nicht erinnern, und deshalb versuchte ich, diese beiden Zeilen wieder aus meinem Kopf herauszukriegen. Aber wie immer, wenn die Müdigkeit kurz davor war zu siegen, verliert man die Kontrolle über seine Gedanken.
    Hier herrscht Schweigen …
    Wie groß war der Raum also? Gut zwölf Quadratmeter. Ein schönes Zimmer.
    Und der Umfang, was war mit dem? Zweimal der Radius mal Pi und das ergibt …
    Im selben Augenblick stand er vor mir und füllte den Schafspfad, dem ich seit einer Weile gefolgt war, breit aus. In meinem Kopf war immer noch die Verwunderung darüber, dass Flächeninhalt und Umfang das Gleiche ergaben, als ich beide Schüsse abfeuerte.
    Hans oder Günther, ich konnte den Unterschied nicht feststellen, flog hoch und verschwand im Nebel. Der Knall der Schüsse dröhnte und dann war es doppelt so still wie zuvor. Ich lauschte, aber es war nichts zu hören. Vielleicht war er allein gewesen? Das glaubte ich nun nicht, aber der andere konnte doch ein ganzes Stück weit weg sein.
    Der Rückstoß hätte mich fast umgeworfen, aber ich fiel nicht. Nicht wie dieser Mistkerl. Er hatte keine Zeit gehabt, seine Maschinenpistole zu benutzen, sie hing ihm noch über der Schulter, als er im Nichts verschwand.
    Ich hatte einen Fehler begangen, als ich beide Schüsse gleichzeitig abfeuerte. Jetzt hatte ich keine Waffe mehr und der andere Zwilling befand sich immer noch im Gebirge. Zweifellos hatte er die Schüsse gehört, das hatten sicher alle in den nördlichen Ortschaften, aber die machten sich nicht mit der Maschinenpistole in der Hand auf die Suche.
    Ich nahm das Gewehr noch ein Stück weiter mit, bis ich einen passenden Stein fand, unter dem ich es versteckte. Jetzt existierte es wenigstens dort, eine andere Frage war, ob wir es jemals wiederfinden würden. Andererseits gab es keinen Grund, Harald mehr als nötig aufzuregen.

48
    Jetzt lief ich. Ich versuchte, meine ganze Kraft in die Beine hinunterzuschicken, damit sie sich in einem regelmäßigen Rhythmus fortbewegen konnten. Das Gehirn sandte den Befehl zu den Beinen und unterbrach dann die Verbindung in der Hoffnung, sie selbst würden die Steuerung übernehmen. Aber statt zu laufen, stürzte ich eher davon, und nicht nur weil das Gelände so schwierig war. Schmerzen in der Lunge und Seitenstiche mischten kräftig dabei mit.
    Später, ich wusste nicht, wie viel später, fiel und glitt ich einen Erdrutsch hinunter und landete in einer Schlucht. Und aus der Schlucht mühte ich mich wieder den Hang hinauf. Die Geschwindigkeit war bedeutend langsamer geworden, hier war nicht mehr die Frage, ob ich lange oder kurze Schritte machte, sondern wie ich überhaupt vorankam. Ich traute mich nicht, mich hinzusetzen. Ich hatte Angst, von der Kälte steif zu werden oder, was noch schlimmer wäre, in einen Schlaf zu fallen, aus dem ich nicht wieder aufwachen würde.
    Es ging immer steiler hinauf, über regelrechtes Geröllgebiet mit Felsblöcken dazwischen. Ich versuchte aufzupassen, wohin ich trat, um möglichst keine Spuren zu hinterlassen, die mich verraten könnten. Aber kleine Steine rollten sowieso die ganze Zeit den Abhang hinunter in den Nebel.
    Irgendjemand war hier in der Nähe.
    Ich versteckte mich hinter einem Felsblock und hielt die Luft an. Einen Moment lang war nichts zu hören, aber dann war da wieder das Geräusch von rollenden Kieseln. In dem Nebel war schwer abzuschätzen, wie weit entfernt es war, aber wohl doch im Umkreis von fünfzig Metern.
    Schafe, es konnten Schafe sein, sagte ich zu mir selbst. Oder ein Mann aus einem der Orte hier, der in den Bergen herumlief? Nein, Letzteres bestimmt nicht. Es gab niemanden, der bei so einem Wetter ins Gebirge ging, wenn es nicht unbedingt notwendig war – und warum sollte es im Juni unbedingt notwendig sein? Hoffentlich waren es Schafe, aber es konnte auch der zweite Igelkopf sein. Aber wie, um alles in der Welt, hatte er es geschafft mich einzuholen? Die Antwort war sicher ganz einfach. Beide waren wohl in Richtung Saksun gelaufen, nachdem sie gemerkt hatten, dass ich nicht nach Tjørnuvík unterwegs war. Sie hatten eine viel bessere Kondition als ich und brauchten nur die Wege und Pfade zu durchkämmen, um früher oder später auf mich zu stoßen.
    Warum hatte ich keine bessere Idee gehabt, als nach Staksun zu gehen? Ich hätte lieber umkehren sollen, zurück nach Sjeyndir und dann über Stakkur nach Tjørnuvík. Wieder hörte ich etwas,
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