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Endlich war wieder Weihnachten

Endlich war wieder Weihnachten

Titel: Endlich war wieder Weihnachten
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spalt, und ein Mann in einem dunklen Anzug musterte ihn abwehrend.
    »Sie wollen?« fragte er.
    »Kann ich diese Nacht bei Ihnen unterkommen?« fragte Joshua.
    »Heute? Am Heiligen Abend?« Der Mann betrachtete ihn von oben bis unten. Wie ein Landstreicher sieht er nicht aus, dachte der Bauer. Was soll man ihm antworten? »Warum wandern Sie um diese Zeit noch herum?«
    »Ich sehe mir die Welt an. Es gibt soviel zu sehen auf dieser Welt.«
    »Kommen Sie rein.«
    Der Bauer stieß die Tür auf, machte einen Schritt zur Seite und ließ den Fremden eintreten. Gleichzeitig griff er nach hinten und holte einen starken Knüppel von einem Wandhaken. Man kann nie wissen … man sieht nur vor ein Gesicht, nicht dahinter. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Habe ich ihn schon einmal gesehen? dachte er. Vielleicht auf dem Wochenmarkt?
    Im Zimmer saß die Bäuerin, auch sie in einem Festkleid. Hinter ihr stand der geschmückte Weihnachtsbaum, und davor lagen eingepackt die Geschenke, es roch nach Zimtgebäck und Lebkuchen, Vanillestrudel und Äpfel im Rohr. Vor einem Kruzifix flackerte eine Kerze.
    »Der Herr will bei uns übernachten«, sagte der Bauer. »Er wandert gern. Aber jetzt ist er müde, nicht wahr?«
    »Ja. Ich bin müde.« Joshua setzte sich an den Tisch. Er war festlich gedeckt mit buntem Geschirr und kleinen Tannenzweigen. Sein Blick fiel auf das Kruzifix, und er senkte den Kopf.
    »Wo sind Sie zu Hause?« fragte die Bäuerin, erhob sich und holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. »Wo ist Ihre Heimat?«
    »Meine Heimat ist überall.« Joshua nickte der Bäuerin dankbar zu, trank einen Schluck Bier und stellte seinen Rucksack auf den Boden.
    »Das heißt … Sie haben keine Heimat?« Der Bauer räusperte sich.
    »Ich befürchte es.«
    Sie hoben alle die Köpfe … von draußen klang es wie das Tuckern eines Motors, dann hörte man ein scharfes, knirschendes Bremsen. Gleich darauf hämmerte es an der Haustür. »Aufmachen!« rief eine aufgeregte Stimme. »Bitte, machen Sie auf! Ein Notfall!«
    Der Bauer ging hinaus, öffnete, und an ihm vorbei stürzte ein Mann in das Haus, mit aufgerissenem Hemd, die Haare schweißnaß und einem Zittern am ganzen Körper.
    »Verzeihung …« keuchte er. »Sie sind unsere letzte Rettung! Meine Frau … bis zum nächsten Ort kommen wir nicht mehr … Wir haben nicht damit gerechnet, nicht heute … die Wehen haben eingesetzt … alle drei Minuten schon … sie bekommt ein Kind. Mein Gott, was soll ich tun? Können Sie mir helfen?«
    »Ich rufe einen Arzt!« sagte der Bauer. »In einer halben Stunde kann er hier sein.«
    »Zu spät! Eine halbe Stunde … da kann alles vorbei sein. Helfen Sie uns doch!«
    »Ich habe neun Kinder geboren.« Die Bäuerin griff an einen Haken und band sich eine Schürze um. »Sind jetzt alle aus dem Haus, groß und gesund sind sie. Das zehnte bringen wir auch noch auf die Welt. Erst muß heißes Wasser her … und Handtücher, viele Handtücher.«
    Der Bauer und Joshua rannten hinaus. Draußen stand ein großes, komfortables Wohnmobil, ein kleines Haus auf Rädern, und als sie näher kamen, hörten sie schon das Keuchen und Wimmern der Gebärenden.
    Meine Mutter saß auf dem harten Rücken eines Esels, dachte Joshua. Und mein Ziehvater ging neben ihr her zu Fuß … doch die Schmerzen der Mütter sind immer die gleichen.
    Sie hoben die junge Frau aus dem schmalen Bett und trugen sie ins Haus. Sie schluchzte, umklammerte Joshuas Arm und biß in ein Taschentuch, als an der Schwelle eine neue Wehe ihren Körper erschütterte. In der Wohnstube hatte die Bäuerin den festlich gedeckten Tisch freigemacht und die Tischplatte mit Handtüchern ganz ausgelegt. In der Küche dampfte ein großer Topf mit Wasser.
    »Auf den Tisch!« rief sie. »Eine harte Unterlage ist das beste. Alois, einen Eimer! Und hol die Schere und leg sie ins kochende Wasser.« Sie beugte sich über die junge Frau und streichelte ihr schweißüberzogenes Gesicht. »Das haben wir alle hinter uns«, sagte sie besänftigend. »Es ist bald vorbei. Nur Mut.«
    Die junge Frau nickte und starrte hinüber zu ihrem Mann und zu Joshua. Er trat an sie heran, beugte sich über sie und erschrak über die Vertrautheit ihres Gesichtes.
    »Sind … sind Sie der Arzt?« fragte sie und biß wieder in das Taschentuch. Eine neue Schmerzwelle überflutete sie.
    »Ich bin alles«, sagte er. »Nur … man weiß es nicht mehr …«
    Er streckte beide Hände aus, ließ sie über ihr Gesicht und ihren hohen Leib
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