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Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Titel: Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt
Autoren: Manfred Scherrman
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Kindheit und fand keinen Frieden mit meinen Eltern. Wenn ich heute meinem Leben ein Motto als Überschrift geben müsste, dann würde es lauten: ›Lerne, über dem Dunkel die Sonne aufgehen zu lassen‹, oder: ›Schaue nicht immer nur nach dem Mangel in deinem Leben, sondern nach dem, was du erreicht hast und weiterhin erreichen kannst.‹
    Meine Eltern wohnten mit uns drei Kindern im Haus der Eltern meiner Mutter. Ich bin das jüngste Kind und war nicht mehr erwünscht. Wie ich später erfuhr, habe ich einen Abtreibungsversuch überlebt. Die Großeltern wohnten unten, wir oben. Es herrschte Kontrolle seitens meiner Großeltern auf Schritt und Tritt. Der Großvater war ein Despot, die Großmutter gütig und duldsam. Meine Mutter war eine brave Tochter und fügte sich. Mein Vater wollte der liebe Schwiegersohn sein. Auch er traute sich nicht, den Schwiegereltern etwas entgegenzuhalten.Schließlich ›wohnte man kostengünstig‹. So wuchsen wir Kinder unter ständiger Beobachtung und Gängelung auf, die uns nicht guttaten. Wir durften kaum Freunde einladen, weil die Eltern nicht viel Geld hatten. Mein Vater war ein schlecht bezahlter kleiner Beamter, meine Mutter Hausfrau. Sie nähte viel für uns Kinder – aus alten, hässlichen Stoffen, was mich meine Mitschülerinnen spüren ließen. Gehänseltwerden war an der Tagesordnung. Meinen Frust bearbeitete ich, indem ich viele Süßigkeiten aß und ein dickes, nicht sehr vorteilhaft anzusehendes Kind wurde.
    Mein Vater war alkoholkrank. Er gehörte zu der Sorte der lieben, eher weinenden Betrunkenen. Fast täglich kam er angetrunken nach Hause. Ich hatte dann bei der Mutter zu sitzen und ihr Beistand zu leisten und durfte nicht spielen gehen. Sonst wurde ich als verrohter Mensch beschimpft, der keine Seele im Leib trage. Ich erinnere mich, acht Jahre alt gewesen zu sein, als ich begriff, dass ich ›in dieser Familie einfach keine Chance hatte‹. So habe ich es einmal in meinem Tagebuch formuliert. Ich träumte mich in Professorenfamilien hinein und hatte auch tatsächlich eher Freundinnen, in deren Elternhäusern ich geistige Nahrung bekam. Diese Freundinnen durfte ich von meiner Mutter aus aber nicht zu mir einladen. Das hätte ich auch sowieso nicht getan, schämte ich mich doch unendlich für mein Zuhause.
    Ich litt unsagbar unter der rauen Sprache meiner Mutter. Sie war eine Qual in meinen Kinderohren. Sie beschimpfte den Vater mit übelsten Ausdrücken. Umso mehr liebte ich ihn und maßte mir an, ›die bessere Frau‹ für ihn zu sein, ihn viel besser zu verstehen, als die Mutter es tat. Mit acht Jahren beschloss ich, dass ich im Fall einer Trennung zum Vater gehen würde. Doch die Eltern trennten sich nicht. Sie lebten ihr Drama aus Streit, Trinkerei, Wutanfällen von Mutter und Rückzug von Vater, Hasstiraden der Schwiegereltern gegenunseren Vater, Eheringe-durch-die-Gegend-Werfen und Sich-Versöhnen. Meine Achtung vor beiden ging verloren.
    Mutter aß maßlos Süßes trotz Diabetes. Sie erzählte beim Einkaufen ihren wenigen Freundinnen, dass sie am liebsten nicht mehr leben wollte. Ich weinte und flehte sie an, sich nichts anzutun, und sagte ihr einmal, ich hätte Angst um sie. Sie beschimpfte mich, ich solle mich nicht so anstellen, ich hätte doch sonst immer eine so große Klappe, wo die denn jetzt bliebe. Irgendwann gab ich auf, aufzubegehren, meine Meinung zu sagen, überhaupt mit meinen Eltern zu sprechen. Ich glaube, sie kannten mich kaum.
    Als Kind schrieb ich viel Tagebuch gegen meine Trauer und Einsamkeit. Ich träumte von Befreiung aus diesem als leidvoll empfundenen Leben in meiner Herkunftsfamilie. Ich wette, ich bin eines der Kinder dieser Erde gewesen, die am inbrünstigsten beten lernten in ihrem Leben. Ich betete für die Gesundheit und Liebe meiner Eltern und für die Rettung meiner Geschwister und meiner selbst. Sie fand nicht statt. Also beschloss ich, dass es DEN Gott nicht gab. Ich erfand stattdessen Göttinnen, die ich anbetete – vielleicht kannten sie sich ja besser aus mit dem Schicksal und vor allem mit Gerechtigkeit für mich und mit meiner Seinsberechtigung und dem mir gemäßen Leben.
    Diese Schilderungen mögen genügen, um das Gefühl meiner für mich existenziell immer sehr bedrohten Kindheit und Jugend deutlich zu machen. Mein Heilungsweg begann mit 26 Jahren, als mein Vater starb und meine erste Ehe spürbar zu Ende war. Damals begann ich eine erste Psychotherapie. Es ging um meine gescheiterte Ehe, um den Mann, den ich
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