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Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Titel: Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt
Autoren: Manfred Scherrman
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schützend vor ihre Kinder und verteidigt sie gegen alles und jeden. Sie glaubt an ihre Kinder. Wenn nötig, opfert sie sich für ihre Kinder auf. Sie versteht ohne viele Erklärungen und verzeiht alles.
    Alle diese positiven Eigenschaften in sich zu vereinen schafft kein Mensch. Dieses Mutterbild ist eine Idealvorstellung, Mütter aus Fleisch und Blut können ihr nicht gerecht werden. Solche Mütter gibt es nur im Märchen. Doch selbst dort gibt es sie nicht auf Dauer. Meist sterben sie früh, stattdessen bekommen die Kinder dann eine böse Stiefmutter. »Allenfalls aus dem Himmel kann die gute Mutter noch etwas helfen, und ihr Grab ist der einzige Trost für das arme Aschenbrödel. Eine ›gute‹ Mutter ist eben nicht von dieser Welt. Es gibt sie wohl im Himmel unserer Träume, aber nicht im wahren Leben«, so die Journalistin Eva Baumann-Lerch.
    Auch manche Dichter und Schriftsteller aus früheren Zeiten heben die Mutter in den Himmel. Hier einige aus der Vielzahl der Beispiele: Maxim Gorki spricht von der Mutter als dem »Herz des Weltalls«. Bei Adalbert Stifter findet sich die Aussage: »Das Mutterherz ist der schönste und unverlierbarste Platz des Sohnes, selbst wenn er schon graue Haare trägt – und jeder hat im ganzen Weltall nur ein einziges solches Herz.« Friedrich Hebbel stellt die rhetorische Frage: »Ein kleines Kind und seine Mutter zusammen: ob noch gleiche Extreme von unbegrenztem Egoismus und ebenso unbegrenzter Aufopferung zu finden sind?« Andere behaupten, in ihrer Mutter sei »nichts Schlechtes« gewesen, oder sie charakterisieren die Mutterliebe als einzigartig: »Alle andere Liebe muss erobert, verdient, erkämpft werden – die Mutterliebe hat man immer, unerworben, unverdient und allezeit bereit.« »Die ganze Welt mit ihren Schätzen, die Mutterliebe kann sie nicht ersetzen.«Unser »Wissen«, wie eine Mutter zu sein hat, damit sie eine richtige oder zumindest eine gute Mutter ist, rührt zu einem Teil aus diesen Traditionen. Auch das Bild der Madonna als Inbegriff der Mutter schlechthin spielt mit hinein. Das Dritte Reich hat das Seine dazu beigetragen, den Muttermythos weiter auszubauen und zu verfestigen – die Mutterschaft wurde hochstilisiert zur eigentlichen Erfüllung der Frau. Eva Baumann-Lerch fasst den Mythos treffend zusammen: »›Mutter‹ bedeutet nicht nur eine verwandtschaftliche Beziehung, sondern steht für das Gute, Nährende und Hilfreiche an sich. Die Mutterliebe gilt als die reinste und selbstloseste Hingabe überhaupt.«
    Viele Menschen knabbern ein Leben lang an dem Idealbild von der vollkommenen Mutter. Denn mehr als uns zumeist bewusst ist und wir wahrhaben wollen, werden wir von diesem Mutterideal bestimmt. »Eigentlich« hätte unsere Mutter anders sein müssen, hätte dem Idealbild wenigstens etwas näherkommen müssen. Dass das möglich gewesen wäre, davon sind wir tief im Innern überzeugt. Irgendwie gehört es zu einer »richtigen« Mutter, dass sie das schafft.
    Doch »Mütter sind auch Menschen«, so der Titel eines lesenswerten Buches der Psychotherapeutin Claudia Haarmann. Sie haben wie alle anderen Menschen Fehler und Schwächen, nicht mehr und nicht weniger. Auch bei ihnen findet sich Egoismus, Lieblosigkeit und Gefühlskälte. Sie werten ab, kritisieren, verurteilen und entmutigen. Sie sind schwach, überfordert, ungerecht und neidisch. Sie werden nicht besser mit Problemen fertig als andere Menschen, und manchmal ist ihnen alles zu viel. Und wie sollte es auch anders sein: Wenn eine Frau Mutter wird, wird sie ja dadurch nicht automatisch ein besserer Mensch!
    Eine vollkommene Mutter gibt es also nicht. Das wissen wir zwar im Kopf, aber dieses Wissen hält uns nicht davon ab,unsere eigene Mutter an diesem Ideal zu messen oder zumindest mit annähernd vollkommenen Müttern zu vergleichen, von denen wir mal gehört oder gelesen haben. Wenn die Messlatte für Mütter so hoch liegt, ist von vornherein klar, dass die allermeisten daran scheitern. Damit haben sich unsere schlimmen Kindheitserfahrungen dann einmal mehr bestätigt.
    Das ist fatal, denn dadurch verfestigt sich unser Gefühl, nicht das bekommen zu haben, was wir gebraucht hätten und was uns als Kindern auch »eigentlich« zusteht. Wenn wir unsere reale Mutter im Licht einer Idealgestalt betrachten, fallen die Schatten umso intensiver aus. Hätten wir diese Lichtgestalt nicht als Modell, würden wir vermutlich milder urteilen. So aber urteilen wir eher noch härter, sind noch weniger
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