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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers
Autoren: Rosemarie Pilcher
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gemietet, packten all unsere weltliche Habe, die jämmerlich gering war, in Dads alten klapprigen Dodge, ließen den Smog und die Hektik von Los Angeles hinter uns und fuhren hierher, aufgeregt wie Kinder, als wir zum erstenmal den Geruch des Meeres wahrnahmen.
    Zuerst war es auch aufregend. Nach der Großstadt war es zauberhaft, nur von den Schreien der Seevögel und dem endlosen Donnern der Brandung geweckt zu werden. Es tat gut, am frühen Morgen über den Sand zu laufen und zu beobachten, wie die Sonne über den Bergen aufging, Wäsche auf die Leine zu hängen und zuzusehen, wie sie sich mit dem Seewind füllte und sich weiß aufblähte wie neue Segel.
    Unser Haushalt war gezwungenermaßen einfach. Ich war ohnehin nie eine besonders gute Hausfrau gewesen, und in Reef Point gab es nur einen kleinen Laden, einen Drugstore, der allerdings ein umfassendes Warenangebot auf Lager hatte – von Waffenscheinen bis zu Hauskleidern, von Tiefkühlkost bis zu Kleenexpackungen. Er wurde von Bill und Myrtle eher nebenbei geführt; zum Einkaufen brauchte ich immer viel Zeit, denn jedesmal waren frisches Gemüse und Obst, Hühnchen und Eier, all die Dinge, die ich kaufen wollte, offenbar gerade ausgegangen. Allerdings entwickelten wir im Lauf des Sommers geradezu eine Vorliebe für Chili con carne aus der Dose, tiefgekühlte Pizza und die zahlreichen Sorten Eiscreme, die Myrtle offensichtlich besonders gern aß, denn sie war enorm fett, ihre breiten Hüften und Oberschenkel wölbten sich in extra weiten Jeans, und ihre schinkenförmigen Arme quollen aus den ärmellosen mädchenhaften Blusen, die sie dazu trug.
    Aber jetzt, nach sechs Monaten Reef Point, wurde ich allmählich unruhig. Wie lange würde dieser schöne Spätsommer anhalten? Einen weiteren Monat vielleicht. Und dann würden die Stürme ernst machen, die Dunkelheit würde früher hereinbrechen, der Regen würde kommen, Matsch und Wind. Das Strandhaus hatte keine Zentralheizung, nur einen riesigen Kamin in dem zugigen Wohnzimmer, der in erschreckendem Tempo Treibholz verbrannte. Voller Sehnsucht dachte ich an heimelige Kohleeimer, aber es gab keine Kohle. Jedesmal wenn ich vom Strand kam, schleifte ich wie eine Pioniersfrau ein oder zwei Stücke Treibholz mit und stapelte sie auf der hinteren Veranda. Der Holzstoß wurde allmählich riesig groß, doch ich wußte, wenn wir erst einmal heizen mußten, würde der ganze Haufen in Null Komma nichts verfeuert sein.
    Das Häuschen lag direkt hinter dem Strand, ein kleiner Wall von Sanddünen war der einzige Windschutz. Es war aus Holz, das zu einem silbrigen Grau verblichen war, und stand auf Pfeilern, so daß jeweils ein paar Stufen zu der vorderen und der hinteren Veranda hinaufführten. Innen gab es ein großes Wohnzimmer mit einem Panoramafenster zum Meer, eine winzige, enge Küche, ein Badezimmer – ohne Badewanne, aber mit einer Dusche – und zwei Schlafzimmer, ein großes „Elternschlafzimmer“, wo mein Vater schlief, und einen kleineren Raum mit einer Koje, der vielleicht für ein kleines Kind oder einen unwichtigen älteren Verwandten gedacht war – das war mein Zimmer. Die Einrichtung war eher deprimierend, wie so oft in Sommerhäusern, alle Möbel schienen unerwünschte Relikte aus anderen, größeren Häusern zu sein. Vaters Bett war ein Monstrum aus Messing, dem die Knäufe fehlten, dafür hatte es eine Garnitur Sprungfedern, die jedesmal quietschten, wenn er sich umdrehte. In meinem Zimmer hing ein verschnörkelter goldener Spiegel, der aussah, als habe er sein Dasein in einem viktorianischen Bordell begonnen. Wenn ich hineinsah, schaute ich eine mit schwarzen Flecken übersäte Wasserleiche an.
    Das Wohnzimmer war nicht viel besser – alte Sessel, deren verschlissene Stellen unter gehäkelten Decken versteckt waren, der Teppich vor dem Kamin hatte ein Loch, und die anderen Stühle waren roßhaargepolstert, wobei das Roßhaar keine Mühe mehr hatte, aus den Polstern herauszuquellen. Es gab nur einen Tisch, Dad benutzte ein Ende davon als Schreibtisch, so daß wir unsere Mahlzeiten in drangvoller Enge und mit angelegten Ellenbogen am anderen Ende einnehmen mußten. Der schönste Platz im Haus war die Fensterbank, die die gesamte Breite des Raums einnahm, sie war mit Schaumstoff, warmen Decken und Kissen gepolstert und so einladend wie ein altes Kinderzimmersofa, man konnte sich darauf zusammenrollen und lesen, den Sonnenuntergang betrachten oder einfach nachdenken.
    Aber das Haus lag einsam. Nachts drang
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