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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers
Autoren: Rosemarie Pilcher
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wäre etwas anderes gewesen, wenn Sinclair verheiratet gewesen wäre. Ich wußte, daß er das nicht war, und wurde von den schlimmsten Befürchtungen geplagt.
    Ich nehme an, daß Du für eine Weile in Elvie bleiben möchtest, aber die Geschäfte hier haben sich recht lebhaft entwickelt. Sam Carter macht großartige Sachen für mich, deshalb schwimme ich im Geld, wie es so schön heißt, und könnte es mir sogar leisten, Dir ein Flugticket zurück ins sonnige Kalifornien zu kaufen, Du brauchst nur ein Wort zu sagen. Ich vermisse Dich sehr, Rusty ebenfalls. Mitzi, der Pudel, ist kaum ein Ausgleich für Deine Abwesenheit, obwohl Linda sich einer romantischen Illusion verschrieben hat: Wenn die Zeit reif ist und der Mond im rechten Viertel steht, werden Mitzi und Rusty sich wahnsinnig ineinander verlieben und eine Familie gründen. Ich hingegen bin felsenfest der Meinung, daß an eine solche Verbindung überhaupt nicht zu denken ist.
    Linda geht es gut, sie ist ganz vernarrt in Reef Point und das, was sie das einfache Leben nennt. Sie hat zur allgemeinen Überraschung angefangen zu malen. Ich weiß nicht, ob mich mein Instinkt trügt oder nicht, aber ich habe das Gefühl, daß sie möglicherweise sehr gut ist. Wer weiß, sie ist vielleicht in der Lage, in dem Stil für mich zu sorgen, an den ich gerne gewöhnt wäre. Und das ist mehr, als ich Dir je zugestehen konnte. Alles Gute, mein geliebtes Kind,
    von Deinem Vater.
     
    Schweigend faltete ich den Brief zusammen, steckte ihn zurück in den Umschlag und dann in meine Jackentasche. Nach einer Weile sagte ich langsam: „Es klingt für mich, als versuche er sie zu einer Heirat zu überreden. Oder vielleicht versucht sie, ihn dazu zu überreden.“
    „Vielleicht versuchen sie einander gegenseitig zu überreden. Würden Sie das begrüßen?“
    „Ja, ich glaube ja. Dann würde ich mich nicht mehr für ihn verantwortlich fühlen. Ich wäre frei.“
    Das Wort hatte einen enttäuschend hohlen Klang. Es war sehr kalt draußen auf dem Steg, und plötzlich schauderte ich. David legte einen Arm um mich und zog mich dicht an sich, so daß ich gewärmt und mein Kopf von seiner soliden tweedbedeckten Schulter gestützt wurde.
    „In diesem Fall“, sagte er, „ist vielleicht dieser Zeitpunkt ebenso geeignet wie jeder andere, Sie zu überreden, einen halbblinden Provinzanwalt zu heiraten, der Sie anbetet, seit er Sie zum erstenmal sah.“
    Ich grinste. „Sie würden nicht sehr viel Überredung brauchen.“
    Sein Arm hielt mich fester, und ich fühlte, wie seine Lippen über meinen Kopf strichen. „Du hättest nichts dagegen, in Schottland zu leben?“
    „Nein. Vorausgesetzt, du besorgst dir jede Menge Klienten in New York und Kalifornien und vielleicht noch weiter weg, und versprichst hoch und heilig, mich mitzunehmen, wo immer du hinfährst, um sie zu treffen.“
    „Das sollte nicht allzu schwer sein.“
    „Und es wäre schön, wenn ich einen Hund haben könnte.“
    „Natürlich, sollst du haben … nicht einen neuen Rusty natürlich, er muß einmalig sein. Aber vielleicht einen mit einem ähnlich interessanten Stammbaum, und ebenso intelligent und charmant.“
    Ich drehte mich in seinen Armen und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Einen schrecklichen Moment lang dachte ich, daß ich anfangen würde zu weinen, aber das war lächerlich, man weint nicht, wenn man glücklich ist, das machen nur Menschen in Büchern. „Ich liebe dich“, murmelte ich, und David hielt mich sehr fest, und schließlich weinte ich doch, aber das machte nichts.
    Wir saßen da, in Davids Mantel eingewickelt, und schmiedeten völlig versponnene Pläne – in der Mission von Reef Point zu heiraten und Isabel Moden McKenzie dazu zu bringen, mir das Hochzeitskleid zu stricken –, die sich alle in Gelächter auflösten. So gaben wir sie auf, machten andere und waren so beschäftigt, daß wir gar nicht bemerkten, wie das Licht fahler und die Abendluft eisig wurde. Wir wurden schließlich von meiner Großmutter gestört, die das Fenster öffnete und herausrief, der Tee sei fertig. Also standen wir auf, verkrampft und durchgefroren, und gingen zum Haus zurück.
    Die Dämmerung hatte sich über den Garten gesenkt. Wir hatten nicht wieder von Sinclair gesprochen, doch plötzlich fühlte ich ihn überall – nicht den Mann, sondern den Jungen aus meiner Kindheit. Er rannte leichtfüßig über das Gras, und ich fragte mich, ob Elvie je frei von ihm sein würde. Der Gedanke an ihn stimmte mich traurig, denn
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