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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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begehbaren Wandschranks auf, streckte die Hand aus und zog eine schwarzgraue Kluft heraus.
    »Batman.«
    Er hängte es wieder hin und präsentierte ein anderes.
    »Captain America. Manchmal ist es gut, jemand anderes zu sein.«
    »Wem sagst du das.«
    »Und man spürt die Kräfte mehr.«
    »Superheldenkräfte?«
    Stan sah ein wenig ratlos drein und zuckte die Achseln.
    Etwas später fuhr ich ihn zur Arbeit. Die Straße führte uns durch Back Town, die Einkaufsmeile von Oakridge, und als wir die Geschäfte dort passierten, sah Stan verträumt zum Fenster hinaus.
    »Glaubst du, es macht Spaß, einen Laden zu haben, Johnny? Oder ein Geschäft? Irgendwas in der Stadt zu machen?«
    »Besser, als für jemand anderen zu arbeiten, das steht mal fest.«
    »Ich glaube, es wäre toll. Die Leute würden kommen und einen was fragen, und man würde ihnen sagen, was richtig ist und was sie nehmen sollten. Und sie wüssten, dass sie zu einem kommen können, wenn sie was wollen.«
     
    Das Gartenzentrum von Bill Prentice lag zehn Autominuten vom Stadtrand entfernt an der Ringstraße Oakridge Loop. Es handelte sich um ein großes, hohes Natursteinhaus, fünfzig Meter von der Straße entfernt. Es hatte eine herrliche Aussicht auf den Swallow River, und eine Seite war zu einem Café ausgebaut. Eine große Lagerhalle aus Wellblech grenzte an den rückwärtigen Teil des Gebäudes an, davor lag ein Ziergarten mit Vogelbad und Springbrunnen. Hundert Meter östlich stand eine zweite, kleinere Lagerhalle, die offenbar nicht genutzt wurde.
    Ich parkte auf dem weißen Schotterparkplatz vor der Seite des Gebäudes mit dem Café. Als Stan und ich aus dem Pick-up ausstiegen, zeigte er auf einen metallicblauen BMW SUV .
    »Der gehört Bill. Er ist Geschäftsmann. Ich stelle ihn dir vor.«
    Im Gartenzentrum zog Stan eine lange Schürze an; ich wartete im Café, während er sich auf die Suche nach Bill Prentice machte. Ich bestellte einen Espresso und schlenderte zu dem Fenster, von wo aus man den Parkplatz einsehen konnte. Ein alter Jeep Cherokee parkte jetzt neben meinem Pick-up. Mehrere Parknischen entfernt ging ein Mann neben dem Vorderreifen von Bill Prentice’ SUV in die Hocke und drückte etwas gegen den Reifen. Vor meinen Augen wippte der Mann ein kleines Stück nach vorn, als das Ding, das er in der Hand hielt, das Hartgummi durchbohrte.
    Der Mann stand auf und schaute sich hastig um. Dabei schweifte sein Blick auch über das Fenster des Cafés. Einen Moment sah er mir in die Augen, ohne mich zu erkennen, dann hellte ein Grinsen sein Gesicht auf, und er winkte hektisch und zeigte mehrmals zu dem Jeep. Ich wandte mich von dem Fenster ab und ging ins Gartenzentrum zurück.
    Stan stand vor einer Gruppe Topfpflanzen und unterhielt sich mit einer schlanken Frau Mitte fünfzig. Sie war gut gekleidet und rauchte trotz des Verbotsschilds an der Wand eine Zigarette. Als Stan mich sah, kam er angerannt, packte mich am Arm und zog mich zu ihr.
    »Entschuldige, Johnny, ich hab nach Bill gesucht, aber dann kam Pat rein, und wir mussten plaudern. Pat, das ist mein Bruder Johnny.«
    Wir sagten Hallo und plauderten eine oder zwei Minuten. Ich wusste, wer sie war. Wenn man mit Bill Prentice verheiratet war, müsste man schon ein Einsiedlerleben führen, um nicht wenigstens ein Mindestmaß an öffentlicher Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und als ich noch in der Stadt lebte, hatte sie bei zwei Gelegenheiten mehr als nur besagtes Mindestmaß auf sich gezogen. Beide Male mit unterschiedlichen Methoden. Beim ersten Mal hatte sie sich die Pulsadern aufgeschnitten; zwei Jahre später hatte sie es mit Tabletten versucht. Das Ergebnis war jedes Mal dasselbe – der Krankenwagen brachte sie zum städtischen Krankenhaus, wo sie von den Ärzten gerettet wurde.
    Diese Selbstmordversuche sorgten nicht für Schlagzeilen in der Lokalzeitung; tatsächlich wurde gar nicht darüber berichtet. Aber wenn die betreffende Person mit einem Stadtrat verheiratet und nebenbei noch die reichste Frau in der Stadt ist, machen Gerüchte die Runde. Ich wusste nicht, ob sie während meiner Abwesenheit weitere Versuche unternommen hatte, aber den ausdruckslosen Augen und tiefen Runzeln auf der Stirn nach zu urteilen, hätte ich nicht darauf gewettet, dass sich ihr emotionales Befinden in den vergangenen acht Jahren zum Besseren gewandelt hatte.
    Gegen Ende unserer kleinen Plauderei kam Bill Prentice dazu. Er war ein durchtrainierter Mann, etwa im gleichen Alter wie seine Frau, mit früh
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