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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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Parkplatz des Gartenzentrums auf mich wartete.
    Er stieß sich von dem Jeep ab und streckte die Hand aus.
    »John-Boy. Ist lange her, Alter.«
    »Gareth.«
    Wir gaben uns die Hände und taten so, als wären wir alte Freunde, die sich freuten, einander wiederzusehen. Aber Gareth schien meine Unsicherheit zu spüren, denn als die Begrüßung abgehakt war, räusperte er sich und steckte die Hände in die Taschen.
    »Irrer Zufall, Johnny. Als ich hörte, dass du wieder in die Stadt kommst, habe ich gehofft, wir würden uns über den Weg laufen, und jetzt ist es tatsächlich passiert. Ich warte schon lange darauf, Mann.«
    »Echt?«
    »Es ist ziemlich viel Scheiße passiert. Dass ich Marla verloren habe, war ein schwerer Schlag für mich, dass kann ich nicht anders sagen, aber als du fort warst und sie und ich nicht wieder auf wundersame Weise zusammenfanden, wurde mir klar, dass es eben so sein sollte und nicht anders. Ich kam mir wie ein Idiot vor, weißt du? Wir waren Kumpels. Was mit ihr passiert ist, hätte daran nichts ändern dürfen.«
    »Na ja, ist jetzt lange her.«
    »Ja, aber ich habe mir geschworen, sollte sich je die Möglichkeit ergeben, möchte ich es wiedergutmachen.«
    Gareth nahm die Hände aus den Taschen und straffte die Schultern.
    »Ich möchte, dass wir wieder Freunde sind.«
    Es gab in Oakridge genug anderes für mich zu erledigen, auch ohne Gareths spezielle Vorstellungen von Freundschaft, aber da er vor mir stand und mir einen Ölzweig reichte, dachte ich mir, dass mir keine andere Wahl blieb. Und natürlich war da im Hintergrund immer die Tatsache, dass er mir das Leben gerettet hatte.
    »Okay.«
    »Klasse, Mann. Klasse! Das nimmt mir eine enorme Last von meiner verdammten Seele.«
    Wir plauderten noch eine Weile freundlich, dann zog ich die Schlüssel aus der Tasche und drehte mich zu meinem Pick-up um. Plötzlich wirkte Gareth fassungslos.
    »Alter, was machst du denn?«
    »Nach Hause fahren.«
    »Ich dachte … Hör mal, du weißt gar nichts über mein Leben. Komm doch mit zu mir. Wir haben die Werkstatt nicht mehr. Es wird dir gefallen, echt.«
    »Ich weiß nicht.«
    »John-Boy, komm schon! Fahr mir einfach mit deiner Rostbeule nach. Eine Stunde, Herrgott, Mann, das ist ein Großereignis!«
     
    Wir verließen das Gartenzentrum, bogen rechts auf die Ringstraße ab und folgten der weiten Kurve des Beckens von Oakridge nach Nordwesten. Das Land links und rechts der Straße war locker bewaldet, doch hier und da führten auch Zufahrten zu den Gärten großer Häuser im Rancherstil. Ich hatte die Fenster runtergekurbelt; warme Luft, die nach Kiefernnadeln und heißem Asphalt roch, wehte herein. Eine Zeit lang fuhren wir parallel zum Swallow River; die Bäume am Straßenrand brachen das metallische Glitzern in ein Muster aus schwarzen Silhouetten von Laub und Bruchstücken silbernen Wassers.
    Erst als die vereinzelten Häuser ganz verschwanden und der Wald dichter wurde, schwante mir, wohin wir fuhren. Ich hätte natürlich eine Kehrtwende machen und mit Vollgas in die sichere Stadt zurückkehren können. Aber ich wusste, wenn ich in Oakridge blieb, musste ich früher oder später auch an diesen Ort zurückkehren, da es anders nicht möglich wäre, mich mit meiner Vergangenheit auszusöhnen.
    Und so folgte ich Gareth, als er auf einen Feldweg mit tiefen Reifenspuren abbog, den Arbeiter des Conservation Corps ursprünglich zur Zeit der Weltwirtschaftskrise angelegt hatten. Fünf Minuten fuhren wir die steile Anhöhe hinauf, bis der Weg wieder ebener wurde und zu einer Stelle führte, die jeder in Oakridge kannte, die mir jedoch geradezu eingebrannt war ins weiche Gewebe meines Gedächtnisses. Eine Stelle, die ich seit meinem achtzehnten Lebensjahr nicht mehr aufgesucht hatte.
    Der See, Tunney Lake, hatte eine ovale Form und maß etwa vierhundert mal hundertfünfzig Meter. An der langen Seite befand sich ein Strand aus grobkörnigem Sand; am rechten Rand führte ein Trampelpfad in den dichten Wald, links war das Gelände offen. Auf der anderen Seeseite gab es keinen Uferstreifen; stattdessen stieg eine Felswand pockennarbigen Gesteins lotrecht fünfzehn Meter aus dem Wasser empor. Darüber ging der Wald weiter, was dem See das Aussehen einer gigantischen, direkt in den Hügel gehauenen Seifenschale gab.
    Am Strand lagen einige wenige Leute auf Handtüchern und genossen die Sonne oder spielten in dem dunklen Wasser. Doch insgesamt wirkte der See verwaist. An Wochentagen arbeiteten die Einheimischen
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