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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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hellblaues Bowlinghemd mit seinem gestickten Namen auf der linken Seite. Mit dem dunklen, pomadig nach hinten gekämmten Haar und der eckigen Hornbrille sah er wie ein pummeliger Tankwart aus den fünfziger Jahren aus.
    »Der Look gefällt mir, Stan.«
    »Ja, sieht stark aus.«
    Wir gingen in den Garten. Der war lang und schmal und bot, da er am nördlichen Hang des Beckens von Oakridge lag, Ausblick über die ganze Stadt. An dem Holzzaun an der Grundstücksgrenze hatten sie neue Blumenbeete angelegt und Sträucher gepflanzt. Alles sah ordentlich und gepflegt aus. Stan sah meinen Blick und pumpte sich auf.
    »Ich kümmere mich um den Garten.«
    »Wirklich?«
    »Ich hab den grünen Daumen.«
    Er fuchtelte mit den Daumen vor meinem Gesicht und zählte seine Arbeit auf.
    »Das sind Hyazinthen. Die blühen im Frühjahr und Sommer und mögen Sonne. Das hier ist Scheidenblatt, denen muss man viel Wasser geben.«
    »Woher weißt du das alles?«
    Stan versuchte, nicht anzugeben, schaffte es aber nicht. »Es ist mein Job.«
    »Du hast einen Job?«
    »Im Gartenzentrum. Da fahre ich mit dem Bus hin. Ich arbeite schon das ganze Jahr.«
    »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    »Damit es eine Überraschung wird.«
    In der Talsohle unter uns lag die Altstadt – der ursprüngliche Stadtkern von Oakridge aus der Goldgräberzeit des neunzehnten Jahrhunderts, mit seinen Holzhäusern, die weiß im Stadtzentrum leuchteten. In der Ferne, weiter südlich, funkelte das schmale Band des Swallow River.
    »Stan, siehst du Marla manchmal?«
    »Klar.«
    »Wie sieht sie aus?«
    »Sie sieht gut aus.«
    »Sprich sie mal von mir?«
    »Natürlich, Johnny. Sie fragt mich jedes Mal, wie es dir geht.«
     
    Später ging ich den Weg zurück, zeigte Stan meinen Pick-up und parkte ihn näher am Haus. Ich trug meine Sachen ins Haus und ging nach oben. Nach anderthalb Tagen fast ununterbrochener Fahrt war ich müde.
    Obwohl Sonnenlicht staubig durch die Fenster fiel, war es in meinem Zimmer kalt. Mit einundzwanzig war ich ausgezogen, hatte mit Marla zusammengelebt. Mein Vater hatte das Zimmer damals ausgeräumt; seither stand es leer. Am Tag meiner Rückkehr waren die einzigen Spuren der Zeit, die ich dort verbracht hatte, ein paar staubige Umrisse an den beigen Wänden, wo meine Poster gehangen hatten. Ein Bett stand unter einem der Fenster, daneben ein kleiner Tisch. Sonst nichts.
    Ich hatte nicht mit einem auf wundersame Weise wiederhergestellten Teenager-Kokon gerechnet, doch der kahle Raum wirkte niederschmetternd. Wie die Tatsache, dass mein Vater nicht da war, um mich zu begrüßen.
    Ich setzte mich auf die Bettkante. Draußen hörte ich einen Vogel zwitschern, weiter entfernt hin und wieder Motorenlärm, wenn jemand aus der Stadt den Hang heraufgefahren kam. Der Geruch des Teppichbodens, der Wände, der staubigen Luft … das alles hüllte mich ein, sodass es mir einen Moment gelang, das Gefühl herbeizuzwingen, als gehörte ich hierher. Doch es war nicht von Dauer, und so blieb mir wieder nur die Erinnerung daran, was dieses Zimmer am meisten für mich bedeutete – dass ich mit achtzehn, neunzehn, zwanzig jeden Abend hier gesessen und ins Leere gestarrt und mir gewünscht hatte, ich hätte Stan an dem Tag, als wir zum Tunney Lake rauffuhren, nicht allein gelassen.
    Ich legte mich auf das Bett, und nach einer Weile schlief ich ein.

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    Kapitel Zwei
    Am Spätnachmittag ging ich nach unten. Mein Vater war zu Hause. Der Duft von chinesischem Essen zog durch das Haus, Teller, Stäbchen und Kartons mit Speisen standen auf dem Tisch. Mein Vater hatte gerade eine Kerze auf einem Kuchen angezündet, den in Zuckerguss die Worte
Willkommen daheim, John
zierten.
    Stan gab einen Laut wie einen Fanfarenstoß von sich, als er mich sah, klatschte in die Hände und rief: »Hiiiiiiier ist Johnny!«
    Mein Vater umarmte mich und machte ein großes Gewese darum, dass ich wieder daheim war, aber seine Kehle klang wie zugeschnürt, als er mir versicherte, wie schön es wäre, dass ich wieder da sei.
    Ich hatte Erinnerungen daran, wie liebevoll er gewesen war, wie er mich auf seine Schultern hob und herumwirbelte. Aber das war lange her, als ich ein Kind war und zu jung, um Liebe von ihm zu fordern. Deutlicher erinnerte ich mich, wie er mir seine Zuneigung verweigerte, je älter ich wurde, wie die kleinen Anflüge von Zuspruch, Stolz und Wertschätzung sich nach und nach in Luft auflösten.
    Später hatte er fraglos guten Grund, enttäuscht zu sein. Ich
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