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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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arbeitete nur, wenn mir danach war, ich trank zu viel. Und natürlich nicht zu vergessen Stan und Tunney Lake. Aber davor, was muss ein Junge, der in die Pubertät kommt, anstellen, dass sein Vater sich derart von ihm abwendet? Es dauerte, bis ich erwachsen war und ihn im Beisein anderer Menschen beobachten konnte, und ich begriff, dass nicht ein Vergehen meinerseits der Grund für die Distanz zwischen uns war, sondern dass er schlicht und einfach bei keinem Menschen wahre Nähe empfinden konnte.
    Doch am Tag meiner Rückkehr saßen wir zusammen, aßen und unterhielten uns, und es tat gut, wieder bei ihm und Stan zu sein, in diesem Haus zu leben, die kleinen Freuden zu genießen, die eine Familie zusammenhielten – Essen, Gespräche, gemeinsam verbrachte Zeit …
    Nach dem Essen ging Stan ins Wohnzimmer und sah sich eine Spider-Man- DVD an, während mein Vater mit hochgekrempelten Ärmeln in der Küche an der Spüle stand und abwusch. Er ließ mich nicht helfen, also setzte ich mich an den Küchentisch und sah ihm zu – ein Mann Ende fünfzig in Bürokleidung, der häusliche Pflichten übernahm, die in den meisten anderen Familien jemand anderes erledigt hätte.
    Er redete während er spülte, über die Arbeitsbedingungen im Büro, die Situation des Immobilienmarktes, verschiedene Objekte, die er gerade anbot. Es war fast das einzige Thema, für das er sich begeistern konnte; mir hingegen war es immer ein wenig lächerlich vorgekommen. Oakridge war eine Stadt, die sich eines konstanten Wachstums erfreute. Er verkaufte Immobilien. Jeder andere in seiner Position wäre reich geworden, aber unsere Familie war immer nur gerade so über die Runden gekommen, und nach dem Tod meiner Mutter ging sogar noch die kleine Lebensversicherung dafür drauf, dass wir das Haus auch nur ansatzweise abbezahlen konnten.
    »Stanley hat jetzt einen Job.«
    »Ja, er hat es mir gesagt.«
    »Dadurch fühlt er sich wichtig.«
    »Ich denke, so fühlt er sich ohnehin, Dad.«
    »Ich meine im Sinne der Gemeinschaft. Arbeit ist das Öl, durch das die Räder des Lebens sich drehen, John. Was hast du für Pläne, jetzt, wo du wieder da bist?«
    »Zeit mit Stan verbringen. Und mit dir. Darüber hinaus habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
    »Und ein Job? Ich kann dich schließlich nicht durchfüttern.«
    »Ich komme eine Weile über die Runden. Ich habe in England etwas Geld gespart. Und ich möchte Marla besuchen.«
    Mein Vater runzelte die Stirn. »Hältst du das für eine gute Idee?«
    »Warum nicht?«
    »Du bist lange fort gewesen.«
    »Na ja, ich muss wenigstens Hallo sagen, findest du nicht? Früher oder später dürfte ich ihr so oder so über den Weg laufen.«
    »Hast du dir einmal überlegt, dass es vielleicht besser für sie wäre, wenn du die Vergangenheit nicht wieder aufwühlst? Du musst aufpassen, dass du dich nicht zu egoistisch verhältst, John.«
    Stan kam in die Küche gestürmt; er roch nach Zahnpasta und trug einen Schlafanzug mit Bildern von Batman darauf. Er umarmte mich kräftig.
    »Entschuldige, Johnny, ich wollte noch mal reinkommen, aber wegen dem Fernseher hab ich’s vergessen. Kannst du mich morgen mit deinem Auto zur Arbeit fahren?«
    »Na klar.«
    »Riesig. Na gut, Partner, ich geh am Kissen horchen.«
    Er drehte sich unvermittelt um und galoppierte aus dem Zimmer. Unten an der Treppe rief er: »Jii-haa!«, dann trampelte er hinauf, ins Bett.
    Mein Vater plauderte weiter mit mir, als Stan fort war, und übertünchte die Risse in unserer vorherigen Unterhaltung. Aber ich glaube, wir waren beide traurig darüber, dass sich nach der langen Zeit offenbar nichts zwischen uns geändert hatte. Am Ende ging er ins Wohnzimmer und sah sich die Spätnachrichten an.
     
    Als ich am nächsten Tag aufstand, ging Stan im Laufschritt auf dem oberen Treppenabsatz hin und her. Er trug ein vollständiges Superman-Kostüm und wollte, dass sich der Umhang hinter ihm bauschte.
    »Hallo, Johnny. Dad ist schon zur Arbeit.«
    »Schickes Kostüm.«
    Stan blieb stehen und sah an sich hinab. Er strich mit den Händen über den blauen Stoff, der sich straff über seiner Wampe spannte.
    »Dad mag sie nicht … Aber ich hab sie mit meinem selbst verdienten Geld bezahlt, darum ist es okay. Aber draußen darf ich sie nicht tragen. Einer der Nachbarn hat mich damit im Garten gesehen und Dad gesagt, ich wäre nicht ganz dicht.«
    »Sie?«
    Stan winkte mich in sein Zimmer am anderen Ende des Treppenabsatzes. Er schob die Tür des großen
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