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Empört Euch!

Titel: Empört Euch!
Autoren: Stéphane Hessel
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Gewalt mehr erforderlich sein. Deshalb darf man nicht zulassen, dass sich zu viel Hass aufstaut.
    Die Botschaft eines Mandela, eines Martin Luther King ist ein Credo jenseits einer Welt ideologischer Konfrontation und eroberungswütiger Totalitaristen. Es ist eine Botschaft der Hoffnung, dass die Gesellschaften unserer Zeit Konflikte durch gegenseitiges Verständnis in wachsamer Geduld werden lösen können – auf der Grundlage unabdingbarer Rechte, deren Verletzung, von welcher Seite auch immer, unsere Empörung auslösen muss.
    Für einen Aufstand in Friedfertigkeit
    Ich habe – nicht als Einziger – bemerkt, wie die israelische Regierung reagiert, wenn die Bürger von Bil’in jeden Freitag gewaltlos, ohne Steine zu werfen, an die Mauer gehen, die der Gegenstand ihres Protestes ist. Die israelischen Behörden haben diesen Marsch als »gewaltlosen Terrorismus« charakterisiert. Nicht schlecht ... Um Gewalt terroristisch zu nennen, muss man schon in der Lage der Israelis sein. Und vor allem muss einen die Wirksamkeit der Gewaltlosigkeit irritieren, die darauf setzt, von allen Gegnern von Unterdrückung in der Welt verstanden und unterstützt zu werden.
    Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen. Wir müssen radikal mit dem Rausch des »Immer noch mehr« brechen, in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben. Es ist höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden. Denn uns drohen schwerste Gefahren, die dem Abenteuer Mensch auf einem für uns unbewohnbar werdenden Planeten ein Ende setzen könnten.
    Immerhin haben wir aber seit 1948 auch bedeutende Fortschritte erzielt und erlebt: das Ende der Kolonialherrschaft und der Apartheid, den Untergang des Sowjetreichs, den Fall der Berliner Mauer. Dagegen hat das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts einen Rückschritt gebracht. Als Gründe dafür sehe ich unter anderem die Präsidentschaft von George Bush, die Anschläge vom 11. September und die verheerende Reaktion der Vereinigten Staaten mit ihrer militärischen Irak-Intervention. Wir erleben diese Wirtschaftskrise, haben uns aber trotzdem nicht stärker für eine neue Entwicklungspolitik eingesetzt. Der Klimagipfel in Kopenhagen brachte uns keine diesen Namen verdienende Politik zur Bewahrung unseres Planeten. Nun sind wir an einer Schwelle angelangt: hinter uns die herben Enttäuschungen des ersten Jahrzehnts, vor uns die Möglichkeiten der kommenden Dezennien.
    Aber wir müssen hoffen, immerzu hoffen. Die 90er Jahre hatten große Fortschritte gebracht: die UNO -Konferenzen von Rio 1992 über die Umwelt und von Peking 1995 über die Lage der Frauen, im September 2000 auf Initiative des UNO -Generalsekretärs Kofi Annan die Erklärung der 191 Mitgliedsländer über »acht Millenniums-Entwicklungsziele« – eines der wichtigsten die Halbierung der Armut in der Welt bis 2015. Zu meinem großen Bedauern haben bisher weder Obama noch die Europäische Union sich geäußert, welchen Beitrag zu einer konstruktiven, auf den Grundwerten beruhenden Entwicklungsphase sie zu leisten gedenken.
    Wie soll ich diesen Aufruf zur Empörung beschließen? Indem ich noch einmal daran erinnere, was wir, die Veteranen der Résistance und der Kampfverbände des Freien Frankreich aus den Jahren 1940 bis 1945, am 8. März 2004 anlässlich des 60. Jahrestages der Verkündung des Programms des Nationalen Widerstandsrates sagten: »Der Nazismus ist besiegt worden dank dem Opfer unserer Brüder und Schwestern in der Résistance und der im Kampf gegen die faschistische Barbarei verbündeten Nationen. Doch die Bedrohung ist nicht vollständig gebannt, und unser Zorn über die Ungerechtigkeit ist nicht gewichen.« [6]
    Nein, die Bedrohung ist nicht ganz gebannt. Und so rufen wir weiterhin auf zu »einem wirklichen, friedlichen Aufstand gegen die Massenkommunikationsmittel, die unserer Jugend keine andere Perspektive bieten als den Massenkonsum, die Verachtung der Schwächsten und der Kultur, den allgemeinen Gedächtnisschwund und die maßlose Konkurrenz aller gegen alle.«
    Den Männern und Frauen, die das 21. Jahrhundert gestalten werden, rufe ich aus ganzem Herzen und in voller Überzeugung zu:
    Â»Neues schaffen
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