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Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen

Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen

Titel: Emotionen. Gefühle literarisch wirkungsvoll einsetzen
Autoren: Susanne Konrad
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wie diese Gestalten auf die Hauptfiguren Ihres Textes einwirken. In welchen Situationen treten sie auf? Wie reagieren Ihre Figuren?

Gefühl und Reflexion
    Für die Literatur der Postmoderne sind Emotionen nicht gerade bestimmend. Wenn über Gefühle geschrieben wird, dann mit kritischer Distanz. Es entstehen Texte von hoher Dichte und ästhetischer Schönheit, deren Akzentsetzung nicht auf der Präsentation von Gefühlen liegt. Aus emotionaler Sicht ließe sich sagen: die Literatur fühlt sich kühl an.
    Ein Auszug aus dem Roman Federgewicht (1995) von Dagmar Leupold zeigt eine Mischung von Gefühl und Reflexion:
    »Wäre jemand im Raum gewesen und hätte die leichten, hastigen und die tiefen, ruhigen Atemzüge von Mutter und Kind gehört, er wäre um ein dem Kitsch zum Verwechseln ähnliches – sicherlich ebenso schlecht dosierbares – Gefühl der Rührung nicht herumgekommen. Die Atemzüge übersprangen gewissermaßen ihre eigentliche Funktion und nahmen sofort eine symbolische Bedeutung an, und in dieser wohlig-warmen Verkürzung fühlten sich Operettentränen genauso zu Hause wie echter Schmerz.«
    Dagmar Leupold äußert sich in einem Interview mit Nikola Rossbach, das in dem Buch Trivialität und Postmoderne von Ilse Nagelschmidt (2002) abgedruckt ist, zum Problem der Emotionalität im zeitgenössischen Text. Sie möchte nicht, dass entweder »psychologischer Realismus « oder »konkrete Poesie«, entweder »Verzicht auf Handlung und Figurenpsychologie« oder »scheinbar naives Erzählen« gegeneinander ausgespielt werden, sondern sie will von beidem etwas: »In Deutschland wirft man der Oase vor, sie sei nicht hinreichend Einöde, und der Einöde, es mangle ihr am Oasigen.«

Lügen und betrügen
    Die Kluft zwischen zur Schau gestellten und tatsächlich empfundenen Gefühlen bei den handelnden Charakteren erzeugt Spannung, zum Beispiel wenn der Leser spürt, dass die Figur etwas ganz anderes beabsichtigt, als sie vorgibt: Ein Mann betrügt seine Frau, aber zum Hochzeitstag bringt er Blumen mit. Ein Vorgesetzter lädt den Mitarbeiter, den er lange übersehen hat, zu einem Empfang ein, aber am nächsten Tag kündigt er ihm doch. Vorgetäuschte Gefühle wecken beim Leser Trotz und Rebellion gegen die Verlogenheit. Sie produzieren Spannung dadurch, dass man nicht weiß, ob die Person mit ihren Strategien ans Ziel kommt.
    In dem Drama Wer hat Angst vor Virginia Woolf von Edward Albee (1962) empfängt ein Ehepaar nach einer Party ein anderes als Gast in seiner Wohnung, und die vier Personen haben nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig verbal zu zerfleischen. Hier sind die wahren Gefühle Aggression und Überdruss. Diese werden vertuscht und gerade dadurch erst recht zum Ausdruck gebracht – so, als würde ein spitzes Messer in Watte verpackt. In den Regieanweisungen wird die Falschheit der Gefühle deutlich: »George spielt angenehme Überraschung beim Anblick von Putzi und Nick, in Wirklichkeit freut er sich aber darüber, dass die beiden Marthas letzten Satz gehört haben: Aaahhhh!« (1. Akt).
    Der Leser oder Zuschauer durchschaut die Verlogenheit und steht gewissermaßen darüber, während die Figuren der Situation ausgeliefert sind. Als Autor wissen Sie, welche Ziele die Figur erreichen will und mit welchen Gefühlen sie ihr Opfer manipuliert, um zum Erfolg zu gelangen.
Anregung:
    Stellen Sie sich eigennützige Absichten vor:
    •Eine Person möchte sich an einer anderen rächen.
    •Jemand möchte an das Vermögen eines anderen gelangen.
    •Man will jemand anderem den Partner ausspannen.
    •Jemand mimt im Beruf den guten Kumpel, um selbst an die Lorbeeren zu gelangen.
    Überlegen Sie sich eine Situation, in der jemand versucht, seine Absicht zu realisieren. Welche Gefühle spielt er seinem Opfer vor, um sein Ziel zu erreichen?

Gefühlskälte
    Bewusste Gefühlskälte und Zynismus können Reaktionen auf zu viel Gefühl sein. Als Zyniker bezeichnet man eine Person, die keine ethischen Werte vertritt und sich verächtlich über die Naivität anderer äußert, die noch an solche Werte glauben.
    Schwarzer Humor und Ironie sind dem Zynismus nicht fremd, jedoch beinhaltet Ironie immer etwas Verständnisvolles und Spielerisches, das dem Zynismus fehlt. Er ist im Gegensatz zur Ironie zerstörerisch.
    Zynismus im literarischen Werk kann erfrischend wirken. Eine Erzählung in Der Fliegenmensch und andere Storys von T.C. Boyle handelt von einem Mann, dessen Lebensziel darin besteht, berühmt zu werden. Er
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