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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp
Autoren: Theodor Fontane
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Heidereiter gestorben und vielleicht auch um
was
. Und als er geschlossen hatte, war sie wohl erschüttert gewesen, aber doch nicht niedergeworfen, denn ihr ahnendes Gemüt hatte längst davon gewußt, auch ohne Gewißheit zu haben.
    Und so war es auch nicht infolge dieser Aufschlüsse, daß sie noch in demselben Frühsommer starb. Ihr neues Leben, das nur Arbeit und Opfer und eine schließlich bis zur Leidenschaft gesteigerte Wonne der Entsagung gekannt, hatte sie wohl auf kurze Zeit hin in anscheinender Frische wieder aufblühen lassen, aber diese Frische war eine Täuschung gewesen. Ein Fieber kam, das ihre Kräfte rasch wegzehrte, rascher noch, als irgendwer geglaubt, sie selber ausgenommen; und als Grissel auch den letzten Tag noch mit einem versteckten »Reißen« zu trösten suchte, lächelte sie nur und sagte: »Laß. Ich weiß alles... Und ich sterbe gern.«
    Das war ihr Abschiedswort gewesen.
    Über ihr Begräbnis aber hatte sie längst vorher Festsetzungen getroffen, und sie begruben sie neben der ersten Frau, deren Grabstelle schon vorher erweitert worden war, so daß das Kind jetzt zwischen ihnen lag. Und gaben ihr einen Stein, darauf stand, wie sie's dem neuen Geistlichen ans Herz gelegt hatte,
kein
Name, »weil sie von Geburt an keinen gehabt und den ›anderen‹ nicht wolle.« Statt dessen aber wurde der Spruch eingegraben: »Ewig und unwandelbar ist das Gesetz!« Umsonst, daß sie gebeten worden war, einen hoffnungsreicheren und christlicheren Spruch, einen Spruch von der Gnade und Liebe Gottes wählen zu wollen – mit einem Eigensinne, der ihr sonst fremd war, hatte sie darauf bestanden, unter immer erneuter Betonung, daß sie persönlich die Liebe Gottes erfahren und seiner Gnade sicher sei, der Spruch auf ihrem Grab aber zu den Überlebenden sprechen und diesen eine Mahnung sein solle. Hinzukommen mochte, daß sie damit eine Schuld an den alten Melcher Harms abzutragen gedachte, dem sie zuletzt völlig entfremdet worden war und dem sie sich nichtsdestoweniger, all seiner Selbstgerechtigkeit ungeachtet, für dieses und jenes Leben verpflichtet fühlte.
    Ihr Begräbnis war ein großes Ereignis, wie's einst ihre Hochzeit gewesen war, und am selben Tage noch trug der Geistliche die Daten ihres Lebens und Sterbens in das Kirchenbuch ein.
    Da stehen sie, mahnend wie der Spruch auf ihrem Grabe.
    Aber beides überdauernd, ragt über Diegels Mühle die weiße Felswand auf und auf ihrer Höhe die weit vorgebeugte Tanne von
Ellernklipp
.
     
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