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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp
Autoren: Theodor Fontane
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anfing, umgestimmt zu werden.
    »Un sien ihrste Fru«, fuhr Grissel fort, die der Unterbrechung nicht achtete, »dat weet se woll,
de
deiht ehr nich veel. Und
dorüm
hebben se dat lütte Worm in dat smoale Gitter mit intwängt. Awers wenn dat lütte Graff mit Ol-Baltzern sien in
eens
wihr o'r ook man dichte bi, denn hett se joa den Olschen ümmer mit vor Oogen hett. Un dat wull se nich.«
    Und nun begann das Klopfen wieder. Aber Joost wollte noch mehr hören und hielt nach ein paar Schlägen wieder an und sagte: »Un wat meenste, Grissel? Ob se woll wedder friegt?«
    »Friegt? Versteiht sich, friegt se. Wat wahrd se nich wedder friegen? Hett joa nich Kinn un nich Kaaks. Un keen Anhang nich. Un dat hübsche Huus dato. Un kann ook nich ümmer sitten un ween'n. Dat is nu man so förihrst. Awers dat giwt sich. Un denn moakt se wedder de Oogen upp un to, groad as ne Klapp, un wutsch is wedder een in.«
    Joost sah Grissel dummpfiffig an und sagte: »Joa, joa, dat sall woll sinn. Awers se seggen joa: de tweet leewt nich lang un hett ümmer siene Noot.«
    »De
tweet
? Joa, dat's recht:
     
    De
tweet
hat ümmer siene Noot,
    Is hüte rot un morgen doot,
    Awers de
dritt is
wedder goot!«
     
    »De
dritt
? Ihrst kümmt doch de tweet. Se hett doch ihrst een', un uns' Ol-Baltzer wihr doch de ihrst.«
    »Na, na«, lachte Grissel, »ick weet nich. Tweet o'r dritt. Un ick denk, et is de
dritt
, de nu kümmt.«
     
    Es kam niemand des Weges, und noch weniger horchte wer vom Gatter oder Heckenzaun her, und doch hätte gerade
sie
, von der die Rede war, aus dem öfteren Hinüberzeigen nach dem Kirchhof und aus allerhand anderen Handbewegungen einen Teil des Gespräches unschwer erraten können, denn sie kam eben vom Schloß her und passierte die Lichtung, von der aus man, wie das ganze Tal, so vor allem auch das Heidereiterhaus übersah. Aber Hilde, trotzdem sie Joost und Grissel in aller Deutlichkeit erkannte, war in ihrem Gemüt weit ab von der Frage: »Wovon sprechen sie?« und viel mehr noch von der ängstlichen Erwägung: »Sprechen sie vielleicht von
dir?
« In ihr klangen noch die Trostesworte nach, die, seitens der alten Gräfin oben, eben an sie gerichtet worden waren, und dem Eindruck davon mit ganzer Seele hingegeben, sah sie zwar alles um sich her, aber ohne sich irgend etwas davon zum Bewußtsein zu bringen. Am Kirchhofe vorüber, über den sie nur einen Augenblick lang ihr Auge gleiten ließ, eilte sie – trotzdem ihr Eile nicht frommte; denn ihre Tage waren lang – auf das Haus zu, darin sie verwaist vor Jahren eingetreten und darin sie nun wieder eine Waise war. Auch eine Witwe. Aber das empfand sie nicht. Sie war in ihrem Gemüt nur eine Waise. Nichts erfreute sie mehr, und in stillem Lebensüberdruß hing sie Bildern nach, die nicht mehr, wie früher, in vor ihr ausgebreiteter Ferne, sondern nur noch rückwärts in ihrer Vergangenheit lagen. Ihr Leben war ein Sinnen und Brüten, eine krankhafte Pflege der Einsamkeit geworden, und selbst ihre Freunde, sowohl der drüben in der Pfarre wie der oben auf den Sieben-Morgen, mißfielen ihr oder versagten ihr doch in der Erfassung und freudigen Umklammerung dessen, was ihre Seele mit immer größerer Lust ersehnte: Friede, Schauen und Versöhnung. An immer erneuten Versuchen, im Gespräche mit ihnen wie ehemals Trost und Erhebung zu finden, hatte sie's anfänglich nicht fehlen lassen, aber aller Wohlmeinendheit der beiden Alten ungeachtet, war sie mit diesen Versuchen an jedem Tage mehr gescheitert: bei Sörgel, weil er für alles ein und dasselbe Wort zu haben anfing, bei Melcher Harms, weil er seiner Konventiklernatur nach am liebsten in Andeutungen und rätselvollen Sätzen sprach und in Momenten, wo sie dringender, fordernder und leidenschaftlicher wurde, ihr Mal auf Mal nur von Demut und Unterwerfung predigte. Denn er war strenger geworden und wiederholte mit Vorliebe seinen Spruch von der Ewigkeit und Unwandelbarkeit des Gesetzes. Ach, sie demütigte sich und unterwarf sich auch, aber eben deshalb, weil sie Demut und Unterwerfung übte, wußte sie von sich selbst, daß es
nicht
die Staffeln zur Himmelsleiter waren. Oder wenigstens nicht für
sie
. Das Kreuztragen – und nur das und immer wieder – drückte sie dem Staube zu; was
ihr
helfen konnte, war allein der Blick nach oben und der Hinweis auf Freiheit, Weite, Licht.
     
    In dieser Not und Armut hätte sie verkommen müssen, wenn nicht die Gräfin gewesen wäre.
Die
hatte seit dem Tage, wo Hilde das erste Mal
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