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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp
Autoren: Theodor Fontane
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nickte zustimmend.
    »Aber«, so fuhr der Alte fort, »da haben wir nun die Hilde. Wohin mit ihr? Ihr kennt die Gräfin und wißt, wie's drüben steht, oder sagen wir, wie's im Herzen der Gnädigen aussieht; ihr Stolz wird größer sein als ihr Mitleid, und sie wird ihre Hand abziehen und sich's zurechtlegen in ihrem Gewissen. Denn es gibt immer Gründe für das, was wir wünschen... Aber Ihr, Baltzer Bocholt,
Ihr
wäret der Mann.
Ihr
könntet's! Und es wär ein christlich Werk.«
    »Es fehlt die Frau, Herr Pastor. Eben komm ich von Ilseburg und habe das Gitter bestellt.«
    »Es fehlt die Frau. Wohl. Aber sie wird Euch nicht immer fehlen. Ihr seid noch rüstig und werdet drüber hinkommen; und das weiß ich, es sind ihrer viele...«
    »Glaub's nicht, Ehrwürden.«
    »Und wenn
nicht
, so seid Ihr der Mann, der mit einem Blick besser erzieht als drei Frauen... Aber seht nur«, und er wies auf das Kind, das draußen zwischen den schon hoch in Samen geschossenen Spargelbeeten stand und dem Spiel zweier Schmetterlinge mit den Augen folgte.
    Der Heidereiter freute sich ersichtlich des Anblicks und sagte nach einer Weile: »Gut. Ich will es bedenken.«
    »Und was Ihr beschließt, das soll mir gelten; denn ich kenn Euch und weiß, es wird das Rechte sein. – Aber nun kommt, daß wir nach der Muthe sehen.«
    Und er klatschte zweimal in die Hand und rief dem Kinde vom Fenster aus zu: »Wir wollen gehen, Hilde! Nimm dein Tuch!«
    Und gleich danach schritten alle drei quer über das Tal auf einen langen und ziemlich hohen Heckenzaun zu, der, neben dem Gehöfte des Heidereiters ansteigend, erst auf den Wiesen- und Weidegrund der »Sieben-Morgen« und dann immer höher hinauf auf eine weitgestreckte, mit Ginster und Heidekraut bestandene Hochfläche führte, die »Kunerts-Kamp« hieß und nach hinten zu mit einem anscheinend endlosen Tannenwalde schloß. An dem Punkte aber, wo Kamp und Wald sich ineinanderschoben und ein Eck bildeten, stand das kleine weißgetünchte Haus der Muthe Rochussen, einer armen Holzschlägerswitwe.
    Hilde war eine gute Strecke zurückgeblieben, um Gräser und Blumen zu pflücken, und erst als Sörgel und der Heidereiter bis dicht an den Zaun heran waren, der das weiße Häuschen von drei Seiten her einfaßte, beeilte sie sich, wieder in die Nähe beider zu kommen. Und nun schob sie, die kleine Hand durch das Gitter zwängend, einen Holzriegel von innen her zurück und lief über den Hof hin auf die mit Tannenzweigen bestreute, zugleich als Küche dienende Diele, daran die beiden einzigen Stuben des Hauses gelegen waren. Und nun öffnete sie die vorderste derselben und trat zurück, um die beiden Männer eintreten zu lassen.
    Diese blieben jedoch, einen Augenblick wenigstens, wie betroffen stehen, denn was sie sahen, war mehr ein Begräbnis- als ein Sterbezimmer. Alles Unschöne war wie vorweg aus dem Wege geräumt. Unter einer aus bunten Zeugstücken sauber zusammengesteppten Decke lag die Tote, das dunkle Haar gescheitelt und eine Kette von Bernsteinkugeln um den Hals, daran ein flammendes Herz hing. Ihre Linke hielt die gesteppte Decke fest und ließ für jeden, der eintrat, gleich auf den ersten Blick einen Schlangenring am vierten Finger erkennen. Es war ersichtlich, daß sie das Herannahen ihrer letzten Stunde gefühlt und das eitle Verlangen gehabt hatte, nach ihrem Tode noch eine Verwunderung und das Gerede der Leute zu wecken. Und so hatte sie denn das Haus bestellt, sich gekleidet und geschmückt und sich dann niedergelegt und war gestorben. Und ohne Kampf schien sie hinübergegangen zu sein, denn so herb ihre Züge waren, aus jedem sprach es doch wie das Glück einer endlichen Erlösung.
    Und nun war auch Hilde herangetreten und hatte die Blumen, die sie draußen auf der Heide gepflückt, über die Mutter ausgestreut. Und sie kniete nieder und küßte die herabhängende Hand. Aber sie weinte nicht und gab kein Zeichen tiefen Schmerzes. Es war vielmehr, als wisse sie nichts Deutliches von Tod und Sterben, und als beide Männer immer noch schwiegen, erhob sie sich und ging auf den Platz hinaus, wo der Brunnen stand und ein paar Leinenstücke zum Bleichen ausgespannt lagen.
    Es war stickig in dem Zimmer, und Sörgel, den es von Anfang an nach frischer Luft verlangt hatte, trat ans Fenster, um zu öffnen. Und dabei wurd er auf dem Fensterbrett und fast zu Häupten der Toten eines zierlichen und mit Silber eingelegten Ebenholzkästchens ansichtig, das an dieser ärmlichen Stelle beinahe mehr noch
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