Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
entscheidet. Und wo Freude wohnt, da gibt es Leben, und wo Leid wohnt, da gibt es Tod. Und das
Leid
hat eine große Gevatterschaft: Angst und Not und Kummer und Reu. Und wenn Ihr so feste Rippen hättet wie der Halberstädter Roland und es zehrte was
hier, so
wär es nichts mit Eurer Kraft. Und an jedem zehrt es mal, mal so, mal so, und wandelt ihm die Kraft in Unkraft. Im Letzten freilich ist alles Geheimnis, es heiße nun Leben oder Tod. Aber das ist gewiß, Eures Kindes Herz ist krank, und es muß sterben.«
    Ein Verdacht, ähnlich dem, den er gegen Melcher Harms hegte, schoß einen Augenblick in des Heidereiters Herzen auf. Aber er bezwang sich rasch wieder und dankte dem Alten für seinen Rat, so schmerzlich ihm derselbe gewesen. Und danach bat er ihn noch, ihm, wie er's vorgehabt, etwas für das Kind aufschreiben zu wollen, wenn auch nur zum Schein und um der Frau willen. Und als er den Zettel in Händen hatte, ging er murmelnd und kopfschüttelnd aus dem Hause, um Hilden aufzusuchen.
    Er war fest entschlossen, ihr von dem angeblich hoffnungslosen Zustande des Kindes nichts zu sagen, und fand sich um so leichter in diese Rolle hinein, als des alten Schliephake Wort ihn noch viel mehr verdrossen als betrübt hatte. Wohl, er liebte das Kind; aber wenn es doch nicht leben konnte, so war es am besten tot.
    Er blieb nicht lange mit Hilde, ging vielmehr bald auf die Wiese hinaus, wo das Freischießen schon im Gange war, und freute sich, als er von der angeheiterten Gesellschaft mit einem Hoch empfangen wurde. Hart am Scheibenstande plätscherte die Ilse vorüber; am anderen Ufer aber stieg der Unterbau des alten Schlosses auf, und von allen Seiten her schmetterte Musik und klang aus den Bergen wider.
    »Nun, Heidereiter«, rief ihm einer von den Ilseburgern zu, »schießt für mich. Ich bin an der Reihe, so habt Ihr den ersten Schuß.« Und er nahm es an. Aber die Kugel traf nur den Rand, und allerlei Stichelreden wurden laut, die den Alten in seiner Eitelkeit und Standesehre verdrossen, so wenig böse sie gemeint waren. Und als auch ein zweiter Schuß wieder ein Fehlschuß war oder doch nicht viel besser, verließ er auf Augenblicke den Schießstand, um in der Budenreihe, die den Schützenplatz einfaßte, sein Glück zu versuchen. Er wollte dem Kinde ein Spielzeug gewinnen, oder vielleicht war auch ein Aberglaube dabei, und so warf er denn dreimal und zuletzt so heftig, daß der eine der drei Würfel über die Bande sprang. Aber er blieb jedesmal unter zehn, und weil er nicht mit leeren Händen heimkehren wollte, wie wenn er des Kindes gar nicht gedacht hätte, so sah er sich gezwungen, einiges von dem Spielzeug zu kaufen.
    Und danach ging er auf einem Umwege wieder an den Schießstand zurück.
    Auf diesem jedoch stellte man eben das Schießen ein, und er kam nur noch zu rechter Zeit, um sich einem abziehenden Trupp Osteroder, deren Wiesen und Äcker mit Emmerode grenzten, zu gemeinschaftlicher Rückfahrt anzuschließen, allerdings erst, nachdem man vorher noch in dem großen und langgebauten Erfrischungszelt, an dessen Flaggenstange das braunschweigische Roß flatterte, gevespert und natürlich auch einen guten Trunk genommen haben würde. Und nicht lange, so saßen sie, jung und alt, um die langen, aufgenagelten Tische her und sprachen dem Einbecker Biere zu, das in diesem Zelt am besten und frischesten zu haben und eben deshalb auch eines besonderen Zuspruchs sicher war. Auch ein paar Ilseburger, die mit dem Heidereiter Freundschaft oder Gevatterschaft hielten, hatten sich eingefunden, und weil das gute Bier allen die Zunge löste, so gab es bald ein Erzählen von Krieg und Frieden und am meisten von den hannoverschen Rotröcken, die mit übers Wasser müßten, ohne Recht und Ordnung. Und sei 'ne Schand. Aber zuletzt kamen alle wieder auf das Nächstliegende zurück und sprachen von Diegels Mühle, die ja nun verkauft werden solle, nächsten Freitag schon, und auf siebentausend Gulden werde sie wohl kommen, oder noch höher, weil ja das ganze Elsbruch zugehöre, mitsamt dem Kamp oben und Ellernklipp.
    All das hatte sich bald an diesen und bald an jenen gerichtet, als aber das Wort Ellernklipp fiel, beugte sich einer von den Osterodern vor und rief über den Tisch hin: »Is et denn woahr, Heidereiter, wat se seggen?«
    »Was?« fragte dieser.
    »I, se seggen joa, et spökt upp Ellernklipp. Un schreegt un röppt.«
    »Unsinn«, preßte Baltzer heraus. »Und was ruft es denn?«
    »
Vader
, röppt et. Ümmer man dat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher