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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp
Autoren: Theodor Fontane
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jungen Frau Hand genommen und sagte: »Was ich wußte, Hilde, das hab ich gesagt. Und da hilft kein Kraut, von dem ich weiß.«
    »Ach, so betet es gesund.«
    Er schüttelte den Kopf. »Du bist noch jung. Wer aber alt ist, der weiß, mit dem Beten ist es ein eigen Ding und ist nicht wohlgetan, es eigensinnig von Gott abringen zu wollen. Er willfahrt uns, denn das Gebet ist mächtig mitunter, aber er tut es widerwillig, und ich habe noch keinen Segen davon gesehen. Und darum mag ich's nicht. Und ist was Gewaltsames dabei. Nein, Hilde, laß es. Aber irdisch Wissen und irdische Mittel, die sind erlaubt, und so rat ich dir, versuch es mit dem alten Schliephake drüben und fahr hinüber nach Ilseburg. Der ist klug und hat deinen Mann aus der großen Krankheit wieder aufgebracht. Und wenn wer helfen kann, so wird
der
helfen. Aber du mußt dich eilen und deinem Mann nicht sagen, daß
ich
dir's geraten habe, sonst sagt er nein. Denn er mißtraut mir und glaubt, daß ich Übles gegen ihn im Schilde führe. Darum nenn ihm meinen Namen
nicht..
. Du bist ja 'ne Frau und wirst dir zu helfen wissen.«
    Und sie versprach es lächelnd und ging. Und der Alte sah ihr nach. Aber es war die Hilde nicht mehr, die, die Butt auf dem Kopf und die rechte Hand in die Seite gestemmt, auf die Sieben-Morgen hinaufgestiegen war.
    Elend war sie, elend und lebensmüde wie das Kind, das sie weinend an ihrem Busen barg.
     
Sechzehntes Kapitel
     
Eine Fahrt nach Ilseburg
    Hilde tat nach des alten Melchers Rat, und es vergingen nicht drei Tage, so hielt der kleine Jagdwagen vor der Treppe des Hauses, und Hilde stieg auf und ließ sich das Kind reichen, das heute das Köpfchen fast verdrießlich in die Kissen barg. Es war, als ob es wisse, was ihm diese Fahrt bedeute. Zuletzt erschien auch der Heidereiter, schwang sich über das Rad weg auf den Vordersitz hinauf und nahm die Leinen aus Joosts Hand, der schon vorher das Büchsgewehr in den anderen Eckplatz gestellt hatte. Denn in Ilseburg war Freischießen, und Baltzer, der seit Jahr und Tag nicht hinübergekommen war, wollte mal wieder mit dabeisein.
    Und nun zogen die Pferde an, und Grissel, die dem Fuhrwerke nachsah, sagte zu Joost: »Oll Schliephake... Klook is he... Awers wat helpt et? He wahrd ook nich veel ut em moaken.«
    »Worüm sall he nich?«
    »Wiel uns' Lütt utgeiht as 'n Licht... Un weetst, wat ick disse Nacht siehn heww?«
    »Nei. Wohier sall ick?« antwortete Joost.
    »'n Sarch wier et... Un stunn upp unsen Floor.«
    »Un wihr leeg in?«
    »lck künn et nich recht siehn. Een witt Doog leeg dröver, un ick glöw, et wihr de Lütt... Un denn wihr et ook wedder so grot.«
    »Se seggen joa, dat bedüt ümmer wat Goods.«
    »Joa, vör twelven.«
    Und während sie so sprachen, fuhr der Wagen durchs Dorf und alsbald an einer hohen, etwas zurücktretenden Berglehne hin, über deren Tannenwald ein bläulicher Nebel lag. Aber zur anderen Seite der Straße dehnte sich alles in klarer Luft: Brachund Stoppelfelder und dazwischen ein paar verspätete Haferstreifen. Und wo das Feld inmitten des Flachlandes leise wieder anstieg, standen ein paar Burgtrümmer und Schindeltürme.
    Die Bocholtschen Eheleute sprachen nicht. Baltzer hatte mit den Pferden zu tun, die seit ein paar Tagen nicht herausgekommen waren, und Hilde sah auf das Kind und mühte sich, ihm ein Lächeln abzugewinnen. Umsonst, es wollte nicht lächeln und wandte sich unwirsch ab, als es merkte, daß es sich durchaus freuen solle. So ging es unter den schwer tragenden Apfelbäumen hin, die von links und rechts her den Weg einfaßten und Hilden ein Mal über das andere mit einer Zweigspitze streiften. Einmal griff sie danach, riß einen Apfel ab und hielt ihn dem Kinde hin. Und sieh, es lächelte und streckte die Hand danach. Und nun lächelte auch Hilde.
    So ging die Fahrt, und als sie den halben Weg hatten und den Berg hinauf waren, der hinter einem der alten Klosterdörfer ansteigt, sahen sie das schöne Ilseburg mit seinem Turm und seinem Schlosse vor sich liegen, und an einem ausgestorbenen Kirchhof entlang, über dessen eingefallene Gräber hin eine ganze Wildnis von Holunder und Hagebuttensträuchern wuchs, fuhren sie durch ein seitwärts gelegenes Gatter in das Städtchen hinein.
    In allen Straßen war Lust und Leben, und Baltzer freute sich von Herzen, mal unter Menschen zu sein und etwas anderes zu sehen als eine weinende Frau. Das mit dem Kinde hielt er für nicht so schlimm und entsann sich mit einem gewissen Behagen, daß ihm
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