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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied
Autoren: Bernhard Hennen
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Urgroßmutter. Meinem fiebrigen Verstand ging erst gar nicht auf, was er da sagte. Ich begriff lediglich, dass wir verwandt waren.
    Er stellte sich als Gromjan vor, und er machte ganz den Eindruck, nicht sonderlich begeistert von mir zu sein. Sein Fell war zerzaust und zeigte etliche kahle Stellen. Eines seiner Ohren war halb zerfetzt, im anderen trug er drei silberne Ohrringe, von denen Türkise und rote Korallen herabhingen. Er stützte sich auf einen krummen Stock und konnte sich nicht mehr gerade halten. Seine Augen blickten nicht in dieselbe Richtung, wenn er mich ansah, was mir das Gefühl gab, dass er nie wirklich bei der Sache war, wenn er mit mir sprach.
    »Du wirst mit mir kommen, Ganda.«
    Ich hatte mir gewünscht, nicht länger am Hof der Königin zu bleiben, aber künftig mit einem solchen Vagabunden herumzuziehen, hatte ich mir nicht vorgestellt.
    Er zog einen Tabaksbeutel aus seiner speckigen Lederweste, die durch all die prall gefüllten Taschen völlig außer Form geraten war. Amulette aus Tierknochen, Federn und seltsamen Steinen hingen an schweißdunklen Lederriemchen von seinem Nacken. Das Hemd, das er unter der Weste trug, war zu seinen besten Zeiten vermutlich einmal annähernd butterblumengelb gewesen. Jetzt konnte man die Farbe nur noch erahnen. Flecken an Kragen und Ärmeln ließen keinen Zweifel daran, dass Gromjan ein großer Freund von Blaubeeren war, aber wenn er sie verspeiste, hielt er sich ganz offensichtlich nicht an die elfische Tafeletikette.
    Der Lutin zog eine Pfeife aus einer anderen Westentasche und stopfte sie leise vor sich hin grummelnd mit Tabak. Dabei verstreute er reichlich Krümel auf den Teppich. Die finsteren Blicke von Meister Alvias, der ihn an mein Lager geleitet hatte, ignorierte er einfach.
    Gromjan hielt sich nicht damit auf, mit Feuerstein und Stahl mühsam Funken zu schlagen. Seine Pfeife glühte von einem Augenblick zum anderen auf, als er daran zog, und ihr entstieg ein übel riechender, graugrüner Rauch. Ein Anblick, der Alvias beinahe aus der Fassung brachte. Man konnte es ihm deutlich ansehen, welche Überwindung es ihn kostete, den Lutin nicht zurechtzuweisen. In seinem langen schwarzen Seidenmantel mit dem hohen Kragen und den perlenverzierten Silberstickereien stand er so steif, als habe man ihm einen Stock in den Allerwertesten gerammt.
    Der Alte legte den Kopf schief und sah mich nachdenklich an. »Ein Ort, an dem Mauern Freunde verspeisen, ist nicht der, an dem sich eine junge Lutin aufhalten sollte. Stimmst du mit mir darin überein?«
    Ich nickte.
    »Ich weiß ja nicht, was du hier in all den Monden, die Emerelle dich freundlicherweise unter ihre Fittiche genommen hat, gelernt hast, aber ich habe den Verdacht, es war nichts dabei, was ein Lutin zum Leben braucht. Hast du gelernt, dich zu verwandeln?«
    »Nein.«
    »Du kannst nicht mal den Hasenzauber? Den hat sogar der dämliche Nikodemus gelernt, und der ist nicht gerade eine Leuchte, was die Magie angeht.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon Gromjan sprach.
    »Beutelschneiden und jemandem den Verstand rund quatschen kannst du dann sicher auch nicht.«
    Alvias räusperte sich leise.
    Gromjan blickte zum Hofmeister der Königin auf. »Ja?«
    »Ich werde meiner Herrin mitteilen müssen, welchen Lebenswandel du ihrem Ziehkind empfiehlst. Und ich glaube nicht, dass sie davon erbaut sein wird.«
    »Und ich glaube nicht, dass du den Mund so voll nehmen solltest. Da, wo ich herkomme, achtet man darauf, dass Kinder nicht von Mauern verschluckt werden oder bei Nacht auf Türmen herumklettern. Zumindest nicht ohne die Anleitung eines Erwachsenen.« Gromjans Stimme klang keckernd wie der Ruf einer Elster. Er blies dem Elfen eine stinkende Tabakswolke entgegen, als wolle er ihn zum Duell fordern.
    »Die Tatsache, dass du eingeladen bist, wird dich nicht davor bewahren, dass ich dich an deinen ausgefransten Ohren aus der Burg zerren lasse, wenn du nicht bald wenigstens leiseste Anzeichen von Anstand zeigst.«
    »Du glaubst, die Drohungen eines Mannes, dessen Lebensinhalt es ist, auf das Haus einer Frau aufzupassen und darauf zu achten, dass das Besteck nicht falsch neben den Tellern liegt, könnten mich einschüchtern?«
    »Ich . . .«
    »Frieden!«
    Emerelle trat in die Kammer. Der kleine Raum schien heller zu werden. Sie hatte etwas an sich, das jeden in den Bann schlug. Selbst Gromjan wirkte mit einem Mal verlegen.
    »Alvias. Ich erlaube dir, nicht länger die Gegenwart von jemandem erdulden zu müssen, der
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