Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories
Autoren: Richard Yates
Vom Netzwerk:
wolle.
     ›»Zur Last fallen?‹ sagte ich und tat so, als wüsste ich nicht, was er meinte. ›Zur Last fallen? Wie könnte ein netter alter Herr wie Sie irgend jemandem zur Last fallen?.
    ›Was denn sonst? Was kann ich ihnen denn bieten?‹ Glücklicherweise mußte ich an einer Ampel halten, als er mich das fragte, und ich drehte mich um und schaute ihm direkt in die Augen. ›Mister‹, sagte ich, ›glauben Sie nicht, daß eine Familie jemanden bei sich haben will, der sich mit Geranien auskennt?‹«
     Als sie die Brücke erreichten, beschloß der alte Mann, vor einem nahen Automatenrestaurant auszusteigen, weil ihm nach einer Tasse Tee war. Das waren die Mauern der verdammten Geschichte. Und dann folgte das Dach: Ein halbes Jahr später erhielt Bernie ein kleines schweres Paket mit einem Poststempel aus Flint, Michigan, das an sein Taxiunternehmen adressiert war. Und wissen Sie, was in dem Paket war? Natürlich wissen Sie es. Eine Geranie samt Topf. Und hier ist der Schornstein: Es lag ein kleiner Zettel bei, beschriftet mit einer, wie ich es lei- der tatsächlich beschrieb, schönen, alten, spinnwebarti- gen Handschrift, und darauf stand schlicht: »Danke.«

    Ich persönlich hielt diese Geschichte für ekelerregend, und auch Joan war sich nicht sicher; aber wir schickten sie ab, und Bernie liebte sie. Und, wie er mir am Telefon erzählte, seine Frau ebenfalls.
     »Und dabei fällt mir der andere Grund ein, warum ich anrufe, Bob. Rose möchte wissen, an welchem Abend Sie und Ihre Frau zu einem kleinen geselligen Beisammen- sein zu uns kommen können. Nichts Besonderes, nur wir vier, wir trinken etwas und plaudern ein bißchen. Wäre Ihnen das angenehm?«
     »Also, das ist sehr nett von Ihnen, Bernie, und natürlich wäre uns das angenehm. Aber so aus dem Stegreif kann ich nicht sagen, wann wir Zeit haben – einen Augenblick, bitte.« Und ich hielt die Hand auf die Sprechmuschel und sprach eindringlich auf Joan ein in der Hoffnung, daß sie mir eine elegante Entschuldigung liefern würde.
     Aber sie wollte hingehen, und sie schlug einen allen genehmen Abend vor, und damit waren wir alle vier fest- gelegt.
     »Oh, gut«, sagte sie, nachdem ich aufgelegt hatte. »Ich freue mich darauf. Sie klingen so süß.«
     »Jetzt hör mal zu.« Und ich deutete mit dem Zeigfinger direkt auf ihr Gesicht. »Wir gehen überhaupt nicht, wenn du vorhast, dort rumzusitzen und den beiden klarzu- machen, wie ›süß‹ sie sind. Ich werde den Abend nicht damit verbringen, beim Plebs den Gemahl der guten Fee zu spielen, und das ist mein letztes Wort. Wenn du aus dem Besuch eine gottverdammte Gartenparty für die Dienstboten machen willst, kannst du es gleich verges- sen. Verstanden?«
     Daraufhin fragte sie mich, ob ich etwas wissen wolle, und ohne eine Antwort abzuwarten, sagte sie es mir. Sie sagte zu mir, ich wäre so ungefähr der größte Snob und schlimmste Tyrann und der größte großmäulige Rund- umblödmann, dem sie je im Leben begegnet war.
     Anschließend führte eins zum anderen; als wir in der U-Bahn saßen und zu unserem angenehmen geselligen Beisammensein mit den Silvers fuhren, sprachen wir kaum noch miteinander, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich war, daß die Silvers, die selbst mit Gin- ger-ale vorliebnahmen, für ihre Gäste eine Flasche Whis- key geöffnet hatten.
     Bernies Frau stellte sich als aufgeweckte Person mit eisenbeschlagenen Absätzen, Hüfthalter und Haarklem- men heraus, deren Telefonvermittlerstimme die feine Le- bensart auf eiskalte Weise perfekt zum Ausdruck brachte (»Guten Tag. Bin so erfreut, Sie kennenzulernen, kom- men Sie herein, nehmen Sie doch bitte Platz, Bernie, sei ihr behilflich, sie kommt nicht aus dem Mantel«); und weiß Gott, wer damit anfing oder warum, aber der Abend begann mit einer unangenehmen Diskussion über Politik. Joan und ich waren hin- und hergerissen, ob wir in die- sem Jahr Truman, Wallace oder überhaupt nicht wählen sollten; die Silvers waren Dewey-Anhänger. Und was es noch schlimmer machte für unsere zarten liberalen Emp- findlichkeiten, war, daß Rose Gemeinsamkeiten suchte, indem sie uns eine trostlose Geschichte nach der ande- ren – und jede mit einem noch kunstvolleren Schauder – über das unerbittliche, bedrohliche Vordringen farbiger und puertoricanischer Elemente in diesen Teil der Bronx erzählte.
     Aber nach einer Weile wurde es vergnügter. Zum einen waren beide hingerissen von Joan – und ich muß zuge- ben, daß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher