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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit
Autoren: J Carey
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Tanaros über diese Dinge nachgedacht hatte, über all die kleinen Dinge, die insgesamt sein Wesen ausmachten, und er dachte auch jetzt nicht an sie, denn der Ruf seines Herrn brannte wie ein Leuchtfeuer in seinem Geist. Und unter seiner Kleidung, unter der glänzenden Rüstung, die ihn umgab, glühte sein Brandmal wie Lebensfeuer auf seinem Fleisch, brennend heiß und kalt wie Eis, pulsierend wie sein Herzschlag, aber durchdringender.
    So war es für die Drei.
    »Wächter«, sagte er grüßend.
    »Heerführer Tanaros, Herr.«Der diensthabende Fjeltroll der Finsterfluchter Wacht grinste und zeigte dabei seine Augenzähne. Seine Waffen hingen an ihm wie Felsblöcke kurz vor dem Abgang einer Lawine, und er hob einen scharfzackigen Streitkolben zum Gruß, als
er zur Seite trat. Hinter ihm gähnte der Aufgang zur Turmtreppe wie ein offener Schlund. »Der Fürst erwartet Euch in der Sternwarte.«
    »Krognar«, sagte Tanaros, der sich an den Namen des Trolls erinnerte. »Ich danke Euch.«
    »Gern geschehen, Heerführer.« Der Fjeltroll salutierte erneut.
    Es war ein langer Aufstieg zur Sternwarte, zur höchsten Spitze des höchsten Turms von Finsterflucht. Tanaros mühte sich Schritt für Schritt hinauf und spürte, wie die Anstrengung sein Herz immer schneller schlagen ließ. Ein sterbliches Herz, eingefasst von der silbrigen Narbe seines Brandzeichens. Letzten Endes war er ein Mensch, mehr nicht. Es war der Fürst gewesen, der ihn zu einem der Drei gemacht hatte, dem Tod entzogen. Er hörte seinen Atem stoßweise gehen. Sterbliche Lungen, von Blut durchströmt. Wie lange hatten sie diese Aufgabe schon versehen? Es war tausend Jahre her, länger noch, dass Tanaros dem ersten Ruf seines Herrn gefolgt war, die Hände rot vom Blut derjenigen, die er einmal geliebt hatte, das Herz erfüllt von Wut und Pein. Es kam ihm länger vor.
    Kurz fragte er sich, wie Vorax den langen Aufstieg wohl bewältigen mochte.
    Dunkelheit führte in Spiralen von Dunkelheit hinauf. Breite Stufen, von Fjeltrollen aus dem Stein geschlagen und dazu geschaffen, ihren großen, hornigen Füßen Halt zu geben. Tanaros streckte die Hand aus und berührte die gewölbte Wand des Turms, ließ die Finger darüberstreifen. Es hätte brennen sollen, das Feuermark, und es brannte auch, aber nur ein wenig. Hier oben verzweigten sich die Adern wieder und wieder und wurden dünner und dünner, je weiter sich der Turm in die Dunkelheit erhob.
    Hier oben war es immer dunkel.
    Tanaros hielt am Eingang der Sternwarte inne und wartete, bis sich seine Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten. So dunkel. Es war immer dunkel. Selbst die Fenster gingen ins Dunkel hinaus, in den Nachthimmel. Dort waren die Sterne, die am wolkenverhangenen Tag niemals zu sehen waren.
    »Herr.« Er verbeugte sich schwungvoll und korrekt, wie er das schon seit endlosen Jahrhunderten getan hatte.

    »Tanaros.« Die Stimme grollte; sie beruhigte, lockerte seine Gelenke, ließ ihn die Steifheit von Jahrhunderten verlieren, von betrogener Ehre, nie vergessen. So war es immer. In der Dunkelheit hob sich der Schöpfer vor den nachtschwarzen Fenstern ab, breite Schultern verdeckten die Sterne. Ein Augenpaar leuchtete wie rote Glut. »Du bist gekommen.«
    Tanaros holte tief Luft und fühlte, wie sich seine Lungen entspannten. »Jederzeit, Fürst Satoris.«
    »So ist es gut.«
    In einem geschnitzten Stuhl in einer Ecke saß Vorax, die stämmigen Beine übereinandergeschlagen, fächelte sich Kühlung zu und atmete schwer. Vor langer Zeit war er ein Fürst des Menschengeschlechts gewesen, der in den kühlen Landen von Stakkia lebte, weit im Norden. Völlerei, Gier und die rücksichtslose Suche nach dem eigenen Vorteil hatten ihn dazu bewogen, dem Ruf des Schöpfers zu folgen und einer der unsterblichen Drei zu werden. Er grinste Tanaros von dem Platz, auf dem er es sich bequem gemacht hatte, entgegen und sein Bart floss ihm über die fassbreite Brust. »Große Ereignisse werfen dunkle Schatten voraus, Vetter! Nicht wahr?«
    »Wenn du meinst, Vetter.« Tanaros setzte sich nicht in Gegenwart seines Herrn. Vor langer Zeit hatte er in Gegenwart seines Königs in Habachtstellung gestanden, und so hielt er es auch jetzt, da ein noch Größerer zugegen war. Seine Treue mochte nun einem anderen gelten, doch das Protokoll blieb das gleiche. Er neigte ehrerbietig den Kopf. »Wir warten noch auf den Traumspinner, Herr?«
    »Ja.« Der Fürst wandte sich zum westlichen Fenster und sah hinaus in die Nacht. »Sag
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