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Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)

Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)

Titel: Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Autoren: Gabriele Wohlrab
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hinein wurde man im Allgemeinen nur geholt, wenn man
etwas angestellt hatte. Es roch unangenehm muffig. Der Tür gegenüber stand ein
riesiger Schreibtisch aus dunklem Holz.   Über ihm befand sich ein Porträt des Gründers dieses Heimes. Seine Augen
schienen Maya finster anzustarren. Daneben an der Wand hing der Rohrstock.
    »Wer war noch dabei?«
    Maya durchlief es heiß. Hatte diese Frau doch
mehr mitgekriegt oder war es bloß eine Vermutung?  
    »Niemand«, log Maya. »Ich wollte nur den fremden
Jungen sehen.«
    Ihre Erleichterung darüber, dass Frau Säuerlich
nicht weiter nachforschte, hielt nicht lange an. Mit einem ungläubigen Ausdruck
im Gesicht verfolgte Maya gebannt jede Bewegung dieser grässlichen Person, als
sie tatsächlich auf den Stock zuging und ihn beinahe andächtig von seinem Platz
nahm. Das konnte nicht wahr sein!
    »Soso. Du wolltest also den Jungen sehen …
Streck deine Hand aus«, zischte die Heimleiterin und prüfte genüsslich die
Biegsamkeit des Rohrstocks.
    Maya versteifte sich. Sie spürte, wie eine Welle
des Hasses in ihr emporstieg. ›Nein, ganz bestimmt nicht!‹, dachte sie
fassungslos, ›dazu kann sie mich nicht zwingen.‹ Einen Moment lang erwog Maya,
einfach zur Tür hinauszuspazieren – sollte dieses kranke Miststück doch
versuchen, sie aufzuhalten!
    »Du hast die Wahl …«, Frau Säuerlich kam so
dicht an sie heran, dass Maya kleine Spucketröpfchen ins Gesicht bekam,
»entweder du tust, was ich dir sage, oder andere
zahlen für dich .«
    Maya wurde übel. Entsetzt stellte sie sich Fiona
vor und den kleinen Max. Niemals, niemals würde sie zulassen, dass ihre Freunde
für sie büßen mussten! Maya tat, wie ihr befohlen worden war. Sie streckte die
Hand aus. Ihre Züge wurden ausdruckslos und sie fixierte einen Punkt an der
Wand. »Nicht schreien, ich darf nicht schreien«, versuchte sie sich zu
konzentrieren, als der Rohrstock auf ihre Handfläche niedersauste. Es brannte
wie Feuer. Nach 25 Hieben spürte Maya, wie die angeschwollene Haut aufplatzte
und Blut heraussickerte. Es mussten mehr als 30 Schläge gewesen sein, als Frau
Säuerlich endlich innehielt. »Mal sehen, ob dich das kleinkriegt, wenn du dich
so gern nachts bei den Jungen rumtreibst.« Die schmalen Lippen der Frau
verzerrten sich zu einem gemeinen Grinsen, und die Augen funkelten kalt und
böse.
    Mit einer Bewegung des Kopfes deutete sie Maya
an, sich wieder in ihr Bett zu verziehen. Maya gehorchte schweigend. Während
sie die Stufen hochrannte, fühlte sie, wie ihr die Tränen über die Wangen
liefen, die sie die ganze Zeit so mühsam zurückgehalten hatte. Sie stürzte ins
Badezimmer und ließ kaltes Wasser über ihre Hand laufen. Dann warf sie sich
aufs Bett und zog sich schluchzend und am ganzen Körper zitternd die Decke über
den Kopf. ›Nein, ich lasse mich nicht kleinkriegen‹, schwor sie sich.
›Niemals!‹

 
    In dieser Nacht nahm ein Gedanke in ihr
endgültig Gestalt an. In den letzten Monaten hatte er sie wie ein hartnäckiger
Schwarm Krähen umschwirrt. Zu Anfang hatte sie ihn verscheucht und gehofft,
dass die Heimleitung aufs Neue wechseln würde und damit das Problem gelöst
wäre. Außerdem war er gewagt und hatte ihr Angst gemacht. Doch dann hatte er
sich in ihren Kopf eingenistet und nun stand er auf einmal klar vor ihr: Sie
musste endlich fort von hier.
    Der nächste Morgen begann mit strahlendem
Sonnenschein. Obwohl die Sonne noch nicht die Kraft hatte, ernsthaft Wärme zu
bringen, sah die Welt draußen gleich viel freundlicher aus.
    Nicht so die Welt im Haus. Maya erwachte früher
als die anderen, weil ihre Hand schmerzte. Sie ging ins Badezimmer. Von nebenan
drang Frau Säuerlichs Weckruf an ihr Ohr. Beim Klang dieser Stimme fühlte Maya
Übelkeit in sich aufsteigen. Sie spürte, wie die Wut in ihr hochkroch und ihr
die Brust zusammenschnürte. ›Dieses widerliche Biest … Ich halte das hier nicht
länger aus, es geht einfach nicht mehr‹, dachte sie. Bis jetzt hatte sie mit Fiona
und Max immer eher scherzhaft über eine gemeinsame Flucht gesprochen, aber
inzwischen fand sie die Situation unerträglich.
    Vorsichtig kühlte sie ihre Hand mit Wasser. Die
blutigen Striemen fingen bereits an zu verkrusten, sahen aber nach wie vor
schlimm aus; die Schwellung und die Blutergüsse würden eine Zeitlang sichtbar
bleiben.
    »Was ist das denn?« Maya hörte Fionas entsetzte
Stimme hinter sich. »Uuh.« Fiona sog die Luft ein und starrte auf Mayas Hand.
»Sie hat dich
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