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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
Autoren: Susan Arndt
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Vorwort
    Das Thema dieses Buches – Rassismus – hat es in sich. Das beginnt bereits mit der Frage, wie man ein Buch über Rassismus illustrieren könne. Der Verlag entschied sich für ein Coverfoto, das ich nicht haben wollte. Es steht im Widerspruch zu einer zentralen Grundthese dieses Buches, nämlich der, dass die Reproduktion rassistischer Annahmen, Worte, Handlungen, Strategien, in welcher Absicht auch immer, nicht zu rechtfertigen ist.
    Das Coverfoto ist von einem
weißen
Blick geprägt, der auch durch den darüber geschriebenen Titel «Rassismus» nicht wirklich gebrochen wird: Es ist 1940 in Birmingham, Alabama, von Arthur Rothstein, einem
weißen
Fotografen, gemacht worden. Die Werbung betrifft ein Kino, in dem Schwarze – und zwar nur am Wochenende – im zweiten Rang sitzen dürfen. Das Filmplakat wirbt für die Liebeskomödie
Ninotchka
von Ernst Lubitsch, produziert 1939. Zu sehen ist in der Hauptrolle Greta Garbo (Abbildung) – vor Marylin Monroe
das
(
weiße
) Schönheitsideal im 20. Jahrhundert schlechthin. Das alles könnten Interessierte schnell herausfinden, sollten sie ein paar Minuten geübt recherchieren wollen. Über den Schwarzen, dem sinnbildlichen Opfer des Rassismus auf diesem Foto, bekomme ich dagegen fast nichts heraus: Er hieß Eddie Mitchell, war jung und arbeitslos – das war es. Wie so oft in der Geschichte des Rassismus steht der
weiße
Blick auf Schwarze im Mittelpunkt, der sich nicht für die Erzählungen, Geschichten und Blicke des Schwarzen interessiert, ja, dessen Interesse am Schwarzen darauf reduziert bleibt, Weißen als Projektionsfläche eigener Fantasien über Schwarze zu dienen. In diesem Fall ist dies sogar offenkundig, denn das Foto ist gestellt; es entstammt einer Serie.
    Und was sieht dieser
weiße
Blick? (Lüsterner) Schwarzer blickt auf
weiße
Unschuld, die zu ihrer Sicherheit hinter einer durchsichtigen Mauer geschützt wird. Angesichts des rassistischen Mythos, dass Schwarze Männer sexuell hyperaktiv seien und als solche eine Bedrohung für
(
weiße
) Frauen und die von ihnen repräsentierten Nationen darstellen, ist dieser Blick auf seinen Blick nicht ungefährlich – zumal er den Schwarzen zu der Zeit, als das Bild entstand, das Leben hätte kosten können. Denn Rothstein nahm dieses Foto in der Ära der Jim-Crow-Gesetze auf und Birmingham war eine Hochburg des Ku-Klux-Klan; hier hätte Mitchell – was Schwarzen vielfach geschah!– für diesen Blick auf eine Weiße gelyncht werden können; Schwarzen war es sogar untersagt, einer
weißen
Frau die Zigarette anzuzünden, weil es als sexuelle Anzüglichkeit galt!
    Warum muss es ein solcher
weißer
Blick auf einen Schwarzen sein, der dem Buch als Ouvertüre dient? Der Verlag zeigte sich sicher, dass der Titel «Rassismus» das Bild ausreichend kontextualisiere und gerade auf diese Weise die Betrachter_innen dazu anrege, sich mit ihrer eigenen Haltung zum Thema Rassismus auseinanderzusetzen. Doch warum muss ein rassistisches Wort auf dem Coverfoto stehen und dadurch verbale Gewalt ausüben? Warum ist ein Schwarzer Mann und kein
weißer
Mann zu sehen, denn letztere haben die rassistischen Schilder geschrieben, aufgehängt und diese Politik auch durchgesetzt – Seite an Seite mit
weißen
Frauen? Warum ist nicht ein Fotodokument des antirassistischen Kampfes als Covergrundlage genommen worden, ein Foto, das die Handelnden dieses Kampfes zeigt? Warum wird ein Motiv aus den USA genommen und nicht aus Deutschland, so als wäre er dort virulenter als hierzulande? Es ließen sich weitere solche Fragen anschließen, auf die letztlich dieses Buch Antworten liefern soll. Insofern bietet das Cover einen vielleicht dann doch produktiven und dennoch zugleich verstörenden Einstieg ins Thema.
    Bücher können irritieren, zum Nachdenken anregen, Streit provozieren, Bewährtes hinterfragen, Gewohntes in eine andere Perspektive stellen. Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit Rassismus. Ich begann damit in dem Glauben, längst über Rassismus Bescheid zu wissen und daher, als unbedingte Anti-Rassistin, selbst fern jeglicher rassistischer Tendenzen zu sein. Ich habe viel lernen müssen, aber auch wollen. Das war und ist mit vielen Einsichten, die meine Selbstwahrnehmungen und mein Innerstes heftig erschütterten, verbunden. Wie aufwändig, aufwühlend und fordernd muss es aber für jene sein, die sich quasi von Geburt an Rassismus ausgesetzt sehen, die dies sich und anderen, vor allem jenen, die rassistisch
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