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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
Autoren: Susan Arndt
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religiöser und kultureller Differenz getragen. Als Weiße im Zuge der Kolonisierung begannen, in anderen als europäischen Klimazonen zu leben und Afrikaner_innen in vormals
weiße
Räume deportiert und dort zwangsangesiedelt wurden, kamen zunehmend Zweifel an den seit der Antike gültigen Klimatheorien und an «Hautfarbe» als alleinigem Träger von «Rassentheorien» auf. Um die Existenz von«Rassen» nachweisen zu können, nahmen
weiße
Wissenschaftler_innen deshalb immer stärker andere angebliche Merkmale in den Blick.
    Dazu vermaßen sie zunächst Körperteile, wie etwa den Schädel oder das Skelett, aber auch Sexualorgane. Noch heute lagern Relikte dieser biologistischen Forschungen in ethnologischen Museen Europas oder auch deutschen Krankenhäusern. Die Vermessung des sichtbaren Körpers, als Methode bis weit ins 19. Jahrhundert hinein anerkannt, führte nicht dazu, dass feststehende «Rassenmerkmale» gefunden werden konnten. Jene Versuchsreihen, die zu bejahenden Erkenntnissen gelangten, weisen methodisch vielerlei Schwächen auf. So erstellte etwa der niederländische Anatom Peter Camper (1722–1789) seine Skala der «Rassen» auf der Grundlage von lediglich sieben Köpfen und verfälschte dabei noch. «Bei der geometrischen Ermittlung des Schädelvolumens der griechischen Apollbüste in frontaler Ansicht», die als Repräsentant der
weißen
Norm fungiert, addierte er, wie dem Kulturwissenschaftler Thomas Becker auffiel, «schlichtweg einige Zentimeter, die wohl eher der Haarpracht Apolls als der Schädelgröße zuzuschreiben waren.»
    Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Zweifel daran wuchsen, «Rassen» über Vermessungen des sichtbaren Körpers nachweisen zu können, setzte ein Paradigmenwechsel innerhalb der «Rassentheorien» ein. Zunehmend konzentrierten sich die Beobachtungstechniken nun auf die unsichtbare Determination durch innere Vererbungsdispositionen anhand von Untersuchungen des Blutes. Man hoffte, «Rassen» genetisch nachweisen zu können. Mit der Hinwendung zur Vererbung innerer Dispositionen kam es zu einem Anstieg identifizierbarer «Rassen» auf mehr als 100. Diese stetig wachsende Anzahl vermeintlicher «Rassen» zeigt letztlich nur eines deutlich: Eindeutige Grenzziehungen lassen sich weder ermitteln noch begründen. Die UNESCO legte bereits 1950 nahe, auf den Begriff «Rasse» zu verzichten. Das Europäische Parlament empfahl Mitte der 1990er Jahre, in amtlichen Dokumenten den Begriff nicht zu verwenden.
    «Rassen» gibt es nicht, schreibt die feministische Soziologin Colette Guillaume, aber sie töten Menschen. Denn der Glaube, dass es «Rassen» gebe, der Rassismus also, ist präsent. Das anzuerkennen ist wichtig. Der Literaturwissenschaftler Shankar Raman glaubt daher, dass es notwendig ist, einen Kampf um die Bedeutung von «Rasse» zu führen, sich diesen Begriff aus anti-rassistischer Sichtanzueignen. Deswegen schlägt er eine doppelte Denkbewegung vor, die weg führt von «Rasse» und hin zu
Rasse.
In der geschriebenen Sprache ist es leicht, die doppelte Denkbewegung symbolisch zu unterstützen: Es ist möglich, «Rasse» immer dann in Anführungszeichen zu setzen, wenn vom biologistischen Konstrukt die Rede ist, das keine reale Entsprechung hat – und
Rasse
kursiv zu schreiben, wenn von der sozialen Position die Rede ist, die durch den Rassismus erzeugt wird. In der gesprochenen Sprache ist dies schwerer umzusetzen. Manche sprechen von rassialisierter Position, von einer Position im Rassismus oder einfach von
Rasse
als sozialer Position.
    3. Wie viele «Hautfarben» gibt es?   Eine für die Geschichte der Menschheit zentrale symbolische Grenzziehung am Körper ist die Erfindung menschlicher «Hautfarben» zur Fundierung der biologistischen Theorie von «menschlichen Rassen».
    Natürlich tritt menschliche Haut in unterschiedlichen Farbtönen auf. Aber so wie kein Mensch (äußerlich) einem anderen entspricht, so gibt es auch keine zwei Menschen mit exakt gleicher Hautfarbe. Noch mehr als die Farbe des Haares ist die Farbe der Haut individuell tagtäglichen Schwankungen unterworfen, in Abhängigkeit innerer Erregungszustände, Erkrankungen, Sonneneinwirkung etc. Und weil etwa die Haut von Weißen alle möglichen Nuancierungen zwischen rosa, olive und diversen Beige- und Brauntönen zeigen kann, bedarf es doch einer hohen Abstraktionskunst, Menschen als Weiße zu beschreiben und sie klar zum Beispiel von «Gelben», «Schwarzen» oder «Roten» abzusetzen. Zwar ist
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