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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
Autoren: Susan Arndt
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immer die beste Lebenshaltung.

I. Rassismus – Begriffsklärungen
    1. Was ist Rassismus?   Der Sexualforscher und Publizist Magnus Hirschfeld (1868–1935) verwendete als Erster den Begriff
Rassismus
für eine Lehre, die an die Existenz menschlicher «Rassen» glaubt, in seinem 1933/34 geschriebenen und 1938 veröffentlichten Werk
Racism,
mit dem er die nationalsozialistische «Rassen»-Ideologie widerlegen wollte. In ein breiteres öffentliches Bewusstsein drangen Begriffe wie Rassismus und Genozid in den 1950er Jahren. «Rassentheorien» waren aber nicht erst vom Nationalsozialismus erfunden worden und fanden mit ihm auch kein Ende. Die Ideologie des Rassismus setzt mit der Erfindung menschlicher «Rassen» ein.
    Es war ein paneuropäisches Projekt, das seine Anfänge nahm, als Europa Millionen Menschen auf der ganzen Welt enteignete, versklavte und ermordete und dies dadurch zu rechtfertigen suchte, dass es diese Menschen als nicht-weiß charakterisierte – als so
anders,
dass es berechtigt erschien, gegenüber Hunderten Gesellschaften auf der ganzen Welt Prinzipien wie Humanismus und Aufklärung, Freiheit und Demokratie, Gerechtigkeit und Gleichheit zuwiderzuhandeln. Was für ein infamer Euphemismus, der im Angesicht dieser barbarischen Gewalt den Mythos von der «Bürde des weißen Mannes» erfand, die Welt zivilisieren zu müssen, und der Lynchmorde als Akt der «Zivilisierung» deklarierte. Hierin zeigt sich aber, dass es dem Rassismus im Kern darum geht, die
weiße
«Rasse» mitsamt dem Christentum, das als dem Weißsein inhärent verstanden wird, als vermeintlich naturgegebene Norm(alität) hinzustellen, um eigene Ansprüche auf Herrschaft, Macht und Privilegien zu legitimieren und zu sichern. Dabei produziert der Rassismus Wissen, das sich ebenso facettenreich wie wirkmächtig in Glaubensgrundsätze, (Sprach)Handlungen und identitäre Muster einschrieb und sich – und zwar unabhängig davon, ob Weiße dies anerkennen oder nicht – die Welt durch adäquate Strukturen passförmig gemacht hat, um sie zu beherrschen.
    Im Zentrum der Ideologie des Rassismus steht die Erfindung von körperlichen Unterschieden. Die britische Ethnologin Mary Douglas betont, jedes Sehen des menschlichen Körpers besitze eine soziale Dimension. Das bedeutet, ohne das Verlangen, soziale Hierarchien und Grenzen herzustellen, bestünde nicht das Interesse, körperliche Grenzen zu erfinden. Auch die Erfindung von «Rassen» bedurfteGrenzziehungen mit Hilfe vermeintlich naturgegebener körperlicher Unterschiede. Dazu wurden aus einer Vielzahl möglicher körperlicher Merkmale einzelne (z.B. «Hautfarbe») herausgenommen und zu Bündeln geschnürt, die vermeintlich naturgegebene Antithesen repräsentieren und angeblich relevante Unterscheidungsmerkmale bilden. Welche Kriterien angelegt werden, um körperliche Unterschiede zu zementieren, folgt keineswegs reiner Willkür. Vielmehr ist die betreffende Logik einem ökonomischen und politischen Machtstreben verpflichtet. Entscheidend ist zudem, dass die so gewählten Unterschiede (und die diesbezüglichen Kriterien) als «natürlich gegebene» Marker der Differenz erklärt werden, wodurch negiert wird, dass sie menschengemacht und historisch geworden sind. Diesen vermeintlich statischen und objektiven körperlichen Unterscheidungsmerkmalen werden dann bestimmte soziale, kulturelle und religiöse Eigenschaften und Verhaltensmuster zugeschrieben. Die auf diese Weise hergestellten Unterschiede werden, wie der Schriftsteller und Rassismusforscher Albert Memmi (geb. 1920) ausführt, verallgemeinert, verabsolutiert, hierarchisiert und als naturgegeben deklariert.
    Es lassen sich verschiedene Formen von Rassismus unterscheiden, die aber eine gemeinsame strukturelle und diskursive Schnittmenge aufweisen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei Rassismus zu konkretisieren, wer von wem vor dem Hintergrund welcher historischen und gegenwärtigen Prozesse als «Rasse» erfunden und rassistisch bewertet wurde bzw. wird.
    2. Gibt es «Rassen»?   Natürlich gibt es «Rassen» – in der Pflanzen- und Tierwelt. Hier versteht man unter «Rassen» Gruppen einer Art, die sich von anderen Gruppen derselben Art durch konstante und vererbbare Merkmale unterscheiden. Im ausgehenden 16. Jahrhundert wurde dieses Klassifikationsmuster erstmalig auf Menschen übertragen.
    Zunächst wurde die Idee, dass es menschliche «Rassen» gebe, von einer biologistischen Anordnung von «Hautfarben» als Marker
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