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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
Autoren: Susan Arndt
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Umgekehrt reduziert der anti-Schwarzen Rassismus Afrika und Schwarze Menschen darauf, genau das Gegenteil, ja, die Negation all dessen zu sein, wofür sich ein als genuin
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verstehendes Europa hielt und hält: nicht zivilisiert, sondern barbarisch; nicht organisiert, sondern chaotisch; nicht vernunftgeleitet, sondern emotional/irrational gesteuert; kurzum: nicht überlegen, sondern unterlegen; nicht normal, sondern anders. Afrika gilt als Natur, was auch die Abwesenheit, ja, Negation von Kultur beinhaltet. Deswegen werden Sprachen in Afrika von Europäer_innen oft als Dialekte bezeichnet und ebenso wie afrikanische Literaturen oder afrikanische Religionen nicht ernst genommen. Dabei bilden Exotisierung und Dämonisierung zwei Seiten derselben Medaille.
    Exotisierung unterstellt Schwarzen, dass sie naturverbunden, gefühlsorientiert und körperbetont seien, gut tanzen, singen und schnell laufen könnten. Im Muster der Antithese sagt das viel darüber aus, was sie nicht (gut) können: komponieren, rechnen oder denken. Wie stark Rassismus immer auch sexistisch aufgeladen ist, zeigt sich an der erotisierenden Rhetorik der Fantasien, die Schwarzen unterstellen, sie seien sexuell hyperaktiv. Dies drückt sich nicht zuletzt darin symbolisch aus, dass behauptet wird, ihre Geschlechtsorgane seien unnormal groß. Zur rassistischen Erotisierung des Schwarzen Körpers gehört auch die Unterstellung, Schwarze Männer trachteten stets nur danach,
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Frauen zu vergewaltigen – während die Vergewaltigung unzähliger versklavter Afrikanerinnen von
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Männern lange Zeit nicht einmal als solche galt oder geahndet wurde. Nicht nur werden die eigenen Taten auf den Schwarzen Körper projiziert, zudem lässt diese Phobie die Angst vor Schwarzem Widerstand und davor erkennen, dass Schwarze als
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deklarierteLebenswelten und Territorien penetrieren. Dass dieser erotisierende Exotismus selbst vor dem Tod keinen Respekt kennt, zeigt Gloria von Thurn und Taxis’ schwindelerregend ungebildeter Ausspruch, in Afrika sei AIDS so weit verbreitet, weil Afrikaner_innen so gerne «schnackseln».
    Die Dämonisierung hat Frantz Fanon (1925–1961) auf die Formel gebracht, Afrika werde als «Quintessenz des Bösen» und «Feind aller Werte» konstruiert, um dem Kontinent vermeintlich legitimiert
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Kontrolle, Züchtigung und Gewalt antun zu können. Afrika kenne nur Tyrannei. Zum Wohle dieses Irrtums brachte die kolonialistische Sprache ganz verschiedene gesellschaftliche Strukturen auf die Vokabel «Stamm» und wurden alle Herrscher_innen abwertend und undifferenziert als «Häuptlinge» bezeichnet, während soziale und politische Strukturen zerstört und gesellschaftliche Dynamiken unter koloniale Kontrolle gestellt wurden, nur um im selben Atemzug zu unterstellen, dass es in Afrika weder Geschichte noch Zukunftsvorstellungen gebe. Selbst Kriege in der afrikanischen Geschichte werden in Europa anders bewertet (z.B. als «Stammesfehde») als Kriege in Europa. Bis heute gilt Afrika als Synonym für Diktatur und Korruption, fast so, als gäbe es Diktatur und Korruption nicht auch in Europa.
    7. Was ist Antisemitismus?   «Judenfeindschaft» gab es in Europa schon lange und kennzeichnete insbesondere das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Pogrome gegen Jüd_innen waren dabei die schlimmsten Erscheinungen, aber auch Betätigungsverbote, die Jüd_innen zwangen, bestimmte Berufe zu ergreifen, gehörten dazu. Diese Feindschaft war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein religiös unterlegt – «der Jude» als «Anti-Christ». Für diese Feindschaft gegen Jüd_innen gab es ökonomische, sozial-kulturelle und politische Gründe; das Religiöse war kein Vehikel, sondern die ideologische Klammer.
    Der Übergang von der «Judenfeindschaft» zum Antisemitismus in den 1870er und 1880er Jahren erfolgte vor dem Hintergrund von zwei Entwicklungen. Zum einen war die Emanzipation und gesellschaftliche Integration von Juden und Jüdinnen in Europa seit Beginn der Diskussionen um ihre gesetzliche Diskriminierung im späten 18. Jahrhundert vorangeschritten. Das Aufkommen der «Judenfrage» – noch vor der Französischen Revolution – im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hatte zum Ziel, die gesetzlichen Diskriminierungender Jüd_innen zu beseitigen. In einem fast einhundertjährigen Prozess mit vielen Rückschlägen erlangten sie mit der Reichsgründung 1870/71 in Deutschland de jure einen weitgehend gleichberechtigten Platz im gesellschaftlichen
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