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Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)

Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)

Titel: Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Autoren: Gabriele Wohlrab
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einen unruhigen Schlaf. Sie träumte von einem Hund, der über eine Wiese
sprang und Stöckchen holte. Als sie auf ihn zuging, knurrte er, und sein Kopf
verwandelte sich in das Gesicht von Qualle. Sie hob die Hand, um ihn
abzuwehren, da fühlte sie, wie etwas sie festhielt. Sie wollte um sich
schlagen, als eine Stimme zischte, »Mensch, wach doch endlich auf!«
    Max rüttelte sie am Arm, und Maya öffnete die
Augen und setzte sich mit einem Ruck im Bett auf. »Hat …«
    Max legte den Finger an die Lippen und gab ihr
mit der Hand ein Zeichen, mitzukommen.
    Maya glitt aus dem Bett, und sie schlichen auf
Zehenspitzen zur Tür hinaus auf den Flur. Max drehte sich zu ihr um und
wisperte: »Pass auf, der Boden hat da vorhin ziemlich laut geknarrt.« Er
deutete auf die besagte Stelle des vom Mondlicht schwach beschienen alten
Dielenbodens im Flur. Sie versuchten, mit einem großen Schritt möglichst
lautlos darüber zu kommen.
    KRACK. Das Geräusch – in der nächtlichen
Stille um ein Vielfaches lauter als sonst – ließ sie nervös
zusammenfahren. Unwillkürlich warf Maya einen Blick hinter sich in Richtung der
Tür, die über einen kleinen Flur zu den Räumen der beiden Hausdrachen führte.
Die Säuerlich war dafür bekannt, dass sie Flöhe husten hören konnte. Äußerst
langsam bewegten sie sich über die antiken Holzdielen am Studierzimmer vorbei,
das die beiden Schlafsäle voneinander trennte und betraten vorsichtig den
Jungenschlafsaal. Hinten in der Ecke, neben dem Bett von Max, lag eine
zerschlissene Matratze auf dem Boden. Dort wälzte sich der Junge unruhig hin
und her und stöhnte und murmelte im Traum. Sie tappten näher. Maya beugte sich
über ihn und lauschte angestrengt eine Weile. Mit ratloser Miene drehte sie
sich in Max’ Richtung, zuckte mit den Schultern und flüsterte ihm schließlich
ins Ohr: »Das ergibt wirklich keinen Sinn, ich …«
    Weiter kam sie nicht. Die Tür, die sie einen
Spalt breit offen gelassen hatten, wurde aufgestoßen, und das grelle Licht
einer Lampe fiel herein.
    Geistesgegenwärtig hechtete Max in sein leeres
Bett daneben und zog mit einem Handgriff die Decke über sich. Nur Maya hatte
nichts, wo sie sich verstecken konnte. Starr vor Schreck blinzelte sie ins
Licht.
    Frau Säuerlich kam mit erhobener Lampe näher.
Ein paar Jungen drehten sich im Schlaf auf die andere Seite, wachten aber nicht
auf oder stellten sich ganz einfach schlafend. Aus Max’ Richtung kam ein
erschrockenes Keuchen.
    ›Sie sieht aus wie eine Katze, die sich auf eine
fette Maus freut‹, dachte Maya. ›Gleich leckt sie sich die Lippen.‹
Seltsamerweise fühlte sie indes weniger Angst als Wut in sich aufsteigen.
    »Wen haben wir denn da?«, schnurrte die
Leiterin. »Du weißt, welche Strafe dein Verhalten nach sich zieht?«
    Natürlich wusste das Maya. Oft genug war ihnen
mit 30 Stockhieben gedroht worden, sollten sie im falschen Schlafsaal erwischt
werden. Sie hatten Witze gerissen, warum wohl die Säuerlich gerade auf die
Einhaltung dieser Regel einen derart übertrieben großen Wert legte; allerdings
hatte sich bis heute jeder daran gehalten, obwohl viele annahmen, dass diese
absurde Drohung lediglich zur Abschreckung dienen sollte. Die üblichen Bestrafungsmethoden
für teilweise lächerliche Übertretungen waren auch so schon gemein genug.
Keiner wollte stundenlang in der fensterlosen Abstellkammer eingesperrt werden
oder von morgens bis abends trockenes Brot vorgesetzt bekommen. Maya konnte
sich recht gut an Beatrice erinnern, die während des Unterrichts weinend mit
einem Schild um den Hals auf einem Stuhl stehen musste, auf dem stand: ›Ich
darf nicht schwätzen‹. Bei Qualle hätte das weniger funktioniert, aber den
konnte man mit Essensentzug drankriegen. Falls jemand es wagte, gegen eine
›Erziehungsmaßnahme‹ aufzumucken, ließ Frau Säuerlich es an den Kleinen aus
oder verhängte Gruppenstrafen. So hatte man nur die Möglichkeit, sich zu fügen
oder sich den Zorn derer zuzuziehen, die stellvertretend Strafarbeiten
aufgebrummt bekamen.
    Maya reckte trotzig das Kinn vor. Egal, was nun
kam, sie würde jedenfalls keine Schwäche zeigen.
    »Klar weiß ich das.« Erleichtert stellte Maya
fest, dass ihre Stimme nicht zitterte. Das gönnte sie dieser bösartigen Frau
nicht. Ein heimtückisches Leuchten glomm in deren Augen auf. Sie packte Maya am
Arm, schob sie aus dem Schlafsaal und zerrte sie die Treppe hinunter.
    Sie gingen durch den holzgetäfelten Flur in das
Büro der Leiterin. Hier
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